Spektrum eines Operators

Das Spektrum eines (linearen) Operators ist ein Begriff aus der Funktionalanalysis, einem Teilgebiet der Mathematik. In der endlichdimensionalen linearen Algebra betrachtet man bei Matrizen und Endomorphismen ihre Eigenwerte. Die Verallgemeinerung ins unendlichdimensionale wird in der Operatortheorie betrachtet. Das Spektrum eines Operators kann man sich als Menge verallgemeinerter Eigenwerte vorstellen.

Definition

Das Spektrum eines Operators AA ist die Menge aller Elemente zz des Zahlenkörpers (meistens die komplexen Zahlen), so dass die Differenz des Operators mit dem zz-fachen Einsoperator
A\bm{A} - zz 1\bm{1}
nicht (beschränkt) invertierbar ist. Das Spektrum des Operators wird mit σ(A)\sigma (\bm{A}) bezeichnet und die Elemente des Spektrums heißen Spektralwerte.
Diese Definition lässt sich in verschiedenen Kontexten anwenden.
  • Das Spektrum so genannter eigentlicher Operatoren, das heißt lineare Abbildungen eines Vektorraumes auf sich, lässt sich wie oben beschrieben definieren, wenn der Operator auf dem ganzen Vektorraum definiert ist ( A\bm{A} : V\rightarrowV ). Der Begriff der Invertierbarkeit in obiger Definition bezeichnet dann die Existenz einen Operator Rz\R_{z}:V\rightarrowV der ebenfalls auf dem ganzen Vektorraum definiert sein muss und Rz\R_{z} A\bm{A}=A\bm{A} Rz\R_{z}=1\bm{1} erfüllt. Die Definition lässt sich für Operatoren auf normierten Vektorräumen aber auch in solchen Fällen anwenden, in denen der Operator nur auf einer dichten Teilmenge des Vektorraumes definierbar ist (so genannte unbeschränkte Operatoren A\bm{A} : D(A)(\bm{A})\rightarrowV mit Definitionsbereich D(A)(\bm{A}) ). In diesem Fall wird allerdings das in Klammern gesetzte Wort „beschränkt“ wichtig, denn die Inverse in obiger Definition darf für einen Spektralwert zwar im Sinne von unbeschränkten Operatoren existieren, aber sie darf kein beschränkter Operator sein.
  • Für abstrakte Operatoren im Sinne von Elementen einer Operatoralgebra kann die obige Definition des Spektrums ohne den Zusatz des Wortes „beschränkt“ gelesen werden. Unter einer Operatoralgebra versteht man für gewöhnlich eine Banachalgebra mit Einselemement und die Inversion von Elementen macht in diesem Kontext nur Sinn, wenn die Inverse wiederum ein Element dieser Algebra ist. Da solche Operatoren nicht durch ihre Wirkung auf irgendeinen Vektorraum definiert sind (also eigentlich gar nicht operieren), gibt es auch kein a priori Konzept der Beschränktheit solcher abstrakter Operatoren. Allerdings kann man solche abstrakten Operatoren immer als lineare Operatoren auf einem Vektorraum darstellen, z. B. als Multiplikationsoperatoren auf der Banachalgebra selbst. Dann werden diese Operatoren zu eigentlichen und beschränkten Operatoren auf einem Banachraum.

Einfache Beispiele

Die abstrakte Definition oben lässt sich leichter verstehen, wenn man einfache Beispiele betrachtet:

Matrizen

In der linearen Algebra bilden die n×n-Matrizen mit komplexen Einträgen eine Algebra bezüglich der üblichen Addition und Skalarmultiplikation (komponentenweise) sowie der Matrixmultiplikation. Die n×n-Matrizen können daher sowohl als Beispiel für eigentliche Operatoren in ihrer Eigenschaft als lineare Abbildungen des Cn\C^{n} \rightarrow Cn\C^{n} angesehen werden, als auch als Beispiel einer Operatoralgebra, wobei es diesem Kontext unerheblich ist, welche Operatornorm für die Matrizen gewählt wird. Da alle linearen Abbildungen eines endlichdimensionalen Raumes auf sich automatisch beschränkt sind, kann dieser Begriff in der Definition hier außer acht gelassen werden.
Eine Matrix A\bm{A} ist invertierbar , wenn es eine Matrix B\bm{B} gibt, so dass A\bm{A} · B\bm{B} = B\bm{B} · A\bm{A} = 1\bm{1} (Einheitsmatrix) ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Determinante nicht verschwindet: det A\bm{A} \neq 0. Daher ist eine Zahl zz \in C\C dann ein Spektralwert, wenn det (A\bm{A} - zz 1\bm{1}) = 0 gilt. Da dies aber gerade das charakteristische Polynom der Matrix A\bm{A} in zz ist, ist zz genau dann ein Spektralwert, wenn zz ein Eigenwert der Matrix ist. In der linearen Algebra bezeichnet das Spektrum einer Matrix daher die Menge der Eigenwerte.

Funktionen

Die stetigen Funktionen auf dem Intervall [0,1] mit Werten in den komplexen Zahlen C\C (z. B. mit der Supremumsnorm als Norm, die hier aber nicht von Belang ist) eine Banachalgebra, wobei die Summe zweier Funktionen und das Produkt zweier Funktionen punktweise definiert wird:
(f+g)(x)=f(x)+g(x)(fg)(x)=f(x)g(x)(f+g)(x)=f(x)+g(x) \quad (f \cdot g)(x)=f(x) \cdot g(x)\,
Eine Funktion ff heißt dann in dieser Algebra invertierbar, wenn es eine andere Funktion gg gibt, so dass f·g(=g·f)=1 (Einsfunktion) ist, das heißt wenn es eine Funktion gg gibt, deren Werte gerade die Kehrwerte von ff sind. Man sieht nun schnell ein, dass eine Funktion genau dann invertierbar ist, wenn sie nicht den Funktionswert 0 besitzt und die Inverse in diesem Fall punktweise die inversen Funktionswerte (Kehrwerte) der ursprünglichen Funktion besitzt:
f1(x)=(f(x))1=1/f(x)f^{-1}(x)=(f(x))^{-1}=1/f(x), wenn f(x)0f(x)\neq 0 überall.
Eine Zahl zz \in C\C ist also ein Spektralwert, wenn die Funktion f-z nicht invertierbar ist, also den Funktionswert 0 besitzt. Dies ist natürlich genau dann der Fall, wenn zz ein Funktionswert von ff ist. Das Spektrum einer Funktion ist daher genau ihr Bild.

Allgemeine Fälle

Die Spektraltheorie von Operatoren lässt sich im allgemeinen nur dann in einem gewissen Umfang ausbauen, wenn die Menge der zu betrachtenden Operatoren spezifiziert wird. Der Zahlenkörper sei im Folgenden immer C\C, besonders umfangreich ist die Theorie dann in zwei Fällen:

Banachalgebren

Die Spektraltheorie der Elemente von Banachalgebren mit Eins ist eine Abstraktion der Theorie beschränkter linearer Operatoren auf einem Banachraum. Die einführenden Beispiele sind Spezialfälle dieser Theorie, wobei im ersten Beispiel die Norm der betrachteten Funktionen zu spezifizieren ist. Wählt man z. B. den Banachraum der stetigen Funktionen auf einem kompakten Raum mit der Supremumsnorm, so stellt dieses Beispiel den wohl wichtigsten Fall einer abelschen Banachalgebra mit Eins dar. Das zweite Beispiel findet seinen Platz in dieser Theorie als typisches endlichdimensionales Beispiel einer nicht abelschen Banachalgebra, wobei eine geeignete Norm für die Matrizen zu wählen ist. Das Spektrum eines Operators war im ersten Fall der Wertebereich und da die Funktionen stetig auf einem Kompaktum sein sollen irgendeine kompakte Teilmenge des C\C. Im zweiten Fall ist das Spektrum eine endliche Menge von Punkten in C\C und daher ebenfalls kompakt. Diese Tatsache kann auch im abstrakten Fall bewiesen werden:
Satz: Das Spektrum σ(A)\sigma (\bm{A}) eines Elementes A\bm{A} einer Banach-Algebra mit Eins ist immer nicht-leer und kompakt.
Aus diesem Satz folgt unmittelbar, dass es einen betragsmäßig größten Spektralwert gibt, denn das Supremum
r(A)(\bm{A})=sup{|z|: z \in σ(A)\sigma (\bm{A}) }
wird auf dem kompakten Spektrum angenommen. Man nennt diesen Wert den Spektralradius von A\bm{A}. Im Beispiel der Algebra der stetigen Funktionen sieht man unmittelbar ein, dass der Spektralradius gerade der Norm der Elemente entspricht. Aus der linearen Algebra weiß man jedoch, dass dies für Matrizen im Allgemeinen nicht gilt, da z. B. die Matrix
A=(0100) \mathbf{A}=\begin{pmatrix} 0 & 1 \\ 0 & 0 \end{pmatrix} nur den Eigenwert 0 besitzt, und daher ist r(A)(\bm{A})=0, aber die Norm der Matrix (egal welche) ist nicht 0. Der Spektralradius ist im Allgemeinen tatsächlich kleiner als die Norm, es gilt aber
Satz: In einer Banach-Algebra mit Eins existiert für jedes Element A\bm{A} der Grenzwert limAn1/n\lim \|\mathbf{A}^n\|^{1/n} und ist gleich dem Spektralradius von A\bm{A}.

Lineare Operatoren auf einem Banachraum

Die Spektraltheorie von im Allgemeinen unbeschränkten linearen Operatoren auf einem Banachraum (oder sogar Hilbertraum) ist eine Erweiterung der Spektraltheorie der Banachalgebra der beschränkten Operatoren auf eben diesem Raum. Da unbeschränkte Operatoren allerdings keine Banachalgebra bilden, finden nicht alle Ergebnisse der Theorie der Banachalgebren Anwendung. Andererseits kann für diese eigentlichen Operatoren der Begriff des Spektrums differenzierter betrachtet werden, indem man Eigenschaft der Operatoren benutzt, die aus ihrer Wirkung als lineare Abbildungen herrühren.
Im folgenden betrachten wir einen linearen Operator T\bm{T} definiert auf einem Banachraum X (ein vollständiger normierter Raum).

Die Resolvente

Sei T\bm{T} ein linearer, im allgemeinen unbeschränkter Operator im Banachraum X. Die Resolventenmenge ϱ(T)\varrho(\mathbf{T}) besteht aus allen komplexen Zahlen λ\lambda, so dass es einen auf dem gesamten Raum X definierten, beschränkten Operator RλR_\lambda gibt mit Rλ(Tλ1)=(Tλ1)Rλ=1R_\lambda(\mathbf{T}-\lambda \mathbf{1})=(\mathbf{T}-\lambda \mathbf{1})R_\lambda = \mathbf{1}.
Der Operator Rλ=(Tλ1)1R_\lambda=(\mathbf{T}-\lambda \mathbf{1})^{-1} heißt Resolvente des Operators T.
Das Komplement zur Resolventenmenge ist die Menge der komplexen Zahlen, für die die Resolvente nicht exisitiert oder unbeschränkt ist, also das Spektrum des Operators T und wird mit σ(T)=Cϱ(T)\sigma(\mathbf{T}) = \mathbb{C}\setminus {\varrho(\mathbf{T})} bezeichnet.
Das Spektrum lässt sich nun in verschiedene Komponenten untergliedern, die sich gewissermaßen durch den speziellen Grund für Nichtexistenz einer beschränkten Resolvente unterscheiden .

Das Punktspektrum

Wenn der Operator Tλ1\mathbf{T}-\lambda \mathbf{1} nicht injektiv ist, das heißt es existiert kein Inverses, dann ist λ\lambda ein Element des Punktspektrums σp(T) \sigma_p(\mathbf{T}) von T\bm{T}. Die Elemente des Punktspektrums werden Eigenwerte genannt.

Das stetige Spektrum

Wenn der Operator Tλ1\mathbf{T}-\lambda \mathbf{1} injektiv, jedoch nicht surjektiv ist, aber ein dichtes Bild besitzt, das heißt es existiert ein Inverses, das jedoch nur auf einem dichten Teilraum des Banachraumes X definiert ist, dann ist λ\lambda ein Element des stetigen Spektrums σc(T) \sigma_c(\mathbf{T}) von T\bm{T}.

Das Residualspektrum

Wenn der Operator Tλ1\mathbf{T}-\lambda \mathbf{1} injektiv, jedoch nicht surjektiv ist und kein dichtes Bild besitzt, das heißt es existiert ein Inverses, das jedoch nur auf einem nicht dichten Teilraum des Banachraumes X definiert ist, dann ist λ\lambda ein Element des Residualspektrums σr(T) \sigma_r(\mathbf{T}) von T\bm{T}.

Besondere Eigenschaften beschränkter Operatoren

Da die beschränkten Operatoren auf einem Banachraum eine Banachalgebra bilden (mit der Operatornorm als Norm der Algebra), finden alle Ergebnisse der Spektraltheorie von Banachalgebren hier Anwendung.

Kompakte Operatoren

Weitere Eigenschaften kann man allerdings für eine Spezialklasse von unbeschränkten Operatoren auf einem Banachraum finden. Diese Spezialklasse sind die so genannten kompakten Operatoren, als die solche Operatoren bezeichnet werden, die jede beschränkte Menge des Banachraumes auf eine relativkompakte Menge desselben Banachraumes abbilden, d.h. auf eine Menge, deren Abschluss kompakt ist. Diese Klasse von Operatoren bildet für sich eine Banachalgebra, die zudem ein Norm-abgeschlossenes Ideal innerhalb der Algebra aller beschränkten Operatoren bildet.
Das Spektrum kompakter Operatoren ist erstaunlich einfach in dem Sinne, dass es fast nur aus Eigenwerten besteht. Die genaue Aussage ist in dem folgenden Satz von F. Riesz zusammengefasst:
Satz: Für einen kompakten Operator T\bm{T} auf einem unendlichdimensionalen Banachraum X kann nur genau einer der drei folgenden Fälle auftreten:
  1. σ(T)\sigma (\bm{T})={0}.
  2. σ(T)\sigma (\bm{T})={0,λ1\lambda _{1},...,λn\lambda _{n}} und alle λi\lambda _{i} sind Eigenwerte.
  3. σ(T)\sigma (\bm{T})={0,λ1\lambda _{1},...} und alle λi\lambda _{i} sind Eigenwerte mit genau einem Häufungspunkt in der Null.
Außerdem haben alle Eigenwerte, die von Null verschieden sind, endliche Multiplizität, das heißt der Kern von T\bm{T}-λ\lambda 1\bm{1} ist endlichdimensional.

Anwendung in der Physik

  • Das Spektrum des Hamiltonoperators in der Quantenmechanik sind die möglichen Energiewerte, die an dem betrachteten System gemessen werden können. Der Hamiltonoperator ist dabei ein im allgemeinen unbeschränkter selbstadjungierter Operator auf dem Hilbertraum, der den quantenmechanischen Zustandsraum repräsentiert. Die Selbstadjungiertheit des Operators gewährleistet dabei, dass die möglichen Messwerte (Spektralwerte) reelle Zahlen sind.
  • Allgemein wird jede Observable in der Quantenmechanik durch einen selbstadjungierten, im Allgemeinen unbeschränkten, Operator auf einem Hilbertraum modelliert. Wie im ersten Beispiel stellen die Spektralwerte des Operators dann die möglichen Messwerte der Observable dar.
  • In der Klassischen Mechanik und der Statistischen Mechanik werden Observablen durch Funktionen auf dem Phasenraum modelliert. Ganz analog zur Quantemechanik gilt auch in diesem Fall, dass die möglichen Messwerte, die Spektralwerte der Observable sind, also in diesem Fall einfach die Funktionswerte der Funktion.
  • In der algebraischen Quantentheorie werden Observablen abstrakt als Elemente bestimmter C*-Algebren (spezielle Banachalgebren) eingeführt. Ohne eine konkrete Darstellung dieser Algebra als Menge eigentlicher Operatoren auf einem Hilbertraum anzugeben erlaubt es der Spektralkalkül dieser Algebren dann, die mögliche Messwerte der Observablen zu berechnen. Die Zustände des physikalischen Systems werden dann nicht als Vektoren im Hilbertraum, sondern als lineare Funktionale auf der Algebra eingeführt. Klassische Theorie, wie die klassische (statistische) Mechanik können in diesem Bild als Spezialfälle angesehen werden, in denen die C*-Algebra abelsch ist.

Siehe auch

Spektrum eines Ringes
 
 

Ein Mathematiker, der nicht irgendwie ein Dichter ist, wird nie ein vollkommener Mathematiker sein.

Karl Weierstraß

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