Schwache Ableitung
Definition für reelle Funktionen
- I∫f′(t)φ(t)dt=−I∫f(t)φ′(t)dt.
Hierbei wurde die
partielle Integration verwendet, wobei die Randterme wegfallen
(φ(a)=0,φ(b)=0).
Ist
f eine
L2-Funktion, dann kann, selbst wenn
f nicht
differenzierbar ist (genauer: keinen differenzierbaren Vertreter in der
Äquivalenzklasse besitzt), eine
Funktion g∈L2(a,b) existieren, die die Gleichung
- I∫g(t)φ(t)dt=−I∫f(t)φ′(t)dt
für jede Testfunktion
φ erfüllt. Eine solche
Funktion g heißt
schwache Ableitung von
f. Man schreibt wie bei der starken
Ableitung f′:=g.
Die
schwache Ableitung ist, wenn sie existiert, eindeutig: gäbe es zwei
schwache Ableitungen g1 und
g2, dann müsste nach der Definition
- I∫(g1(t)−g2(t))φ(t)dt=0
für alle Testfunktionen
φ gelten, was aber nach dem Lemma von Du Bois-Reymond
g1=g2 bedeutet (im
L2-Sinne, d.h. fast überall), da die Testfunktionen
dicht in
Lp liegen ( für
1≤p<∞ ).
Ferner stimmen bei jeder stark
differenzierbaren Funktion starke und
schwache Ableitung überein, so dass man von einer Verallgemeinerung des Ableitungsbegriffs sprechen kann. Im Gegensatz zur starken
Ableitung ist die
schwache Ableitung aber nicht punktweise, sondern nur für die ganze
Funktion definiert.
Man kann statt
f,f′∈L2 auch allgemeiner
f,f′∈Lp für
1≤p≤∞ fordern. Die
Teilmenge der
Funktionen aus
Lp in der
n≥1 schwache Ableitungen existieren ist ein sogenannter
Sobolew-Raum.
Beispiele
- f′(x)={−1:+1:x<0x>0
die starke
Ableitung von
f. Diese
Funktion kann aber zu einer
schwachen Ableitung der
Betragsfunktion (auf ganz
R) fortgesetzt werden, da
{0} eine Nullmenge und daher bei der
Integration unbedeutend ist (man kann den Wert an der Stelle 0 beliebig setzen, wie auch auf jeder anderen
Teilmenge mit dem
Maß 0). Diese, auf
R fortgesetzte
Funktion, heißt Signumfunktion. Die Signumfunktion selbst ist nicht mehr
schwach differenzierbar, aber man kann sie im Sinne von
Distributionen ableiten.
Eigenschaften
- Die schwache Ableitung einer differenzierbaren Funktion fällt dann im Allgemeinen mit ihrer klassischen Ableitung zusammen (wobei hier nur eine Gleichheit im L2-Sinn vorliegt: zwei Funktionen sind genau dann gleich, wenn ∣∣f−g∣∣L2=0).
- Eine Funktion, die hinreichend oft schwach differenzierbar ist, ist auch stark differenzierbar (Einbettungssätze, siehe Sobolew-Raum).
- Eine stetige Funktion besitzt eine schwache Ableitung, wenn sie absolutstetig ist.
Tatsächlich lassen sich in einer weiteren Verallgemeinerung auch
Ableitungen gebrochener Ordnung gewinnen.
Anwendungen
Verallgemeinerungen der schwachen Ableitung
Schwache Ableitungen können auch für
Funktionen auf höherdimensionalen Räumen definiert werden. Entsprechend kann man auch die höheren
schwachen Ableitungen definieren.
Es seien
Ω⊆Rn,f:Ω→R eine quadratisch integrierbare
Funktion, das heißt,
f∈L2(Ω), und
α=(α1,…,αn)∈N0n ein Multiindex.
Eine
Funktion g heißt
α-te
schwache Ableitung von
f, falls für alle Testfunktionen
φ gilt:
- Ω∫g(x)φ(x)dx=(−1)∣α∣Ω∫f(x)Dαφ(x)dx.
Hierbei ist
∣α∣=i=1∑nαi und
Dαφ=∂α1x1…∂αnxn∂∣α∣φ.
Liegt eine
Funktion f:Ω→Rm vor, so fordert man die schwache
Differenzierbarkeit in jeder der
m Bildkomponenten.
Insbesondere lässt sich die Definition der
schwachen Ableitung auf unbeschränkte
Mengen (also ganz
R oder
Rn), Räume
periodischer Funktionen oder Räume auf der Kugel oder höherdimensionalen Sphären erweitern. Auch im mehrdimensionalen Fall und bei höheren
Ableitungen lassen sich
Sobolew-Räume definieren.
Literatur
- Dirk Werner: Funktionalanalysis, Springer-Verlag, Berlin, ISBN 978-3-540-72533-6
- Lawrence Evans: Partial Differential Equations, American Mathematical Society, ISBN 0-8218-0772-2
Strukturen sind die Waffen der Mathematiker.
N. Bourbaki
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