Normierte Räume und Banachräume

Ein Vektorraum VV über den reellen Zahlen R\dom R (oder den komplexen Zahlen C\C) heißt ein normierter Vektorraum oder kürzer normierter Raum, wenn es eine Abbildung :VR||\cdot||:V\rightarrow \dom R gibt, welche die folgenden Eigenschaften besitzt:
  1. a>0||a||>0 für alle a0a\neq 0
  2. λa=λa||\lambda a||=|\lambda| \, ||a|| für alle λR\lambda\in\dom R und aVa\in V (Homogenität)
  3. a+ba+b||a+b||\leq ||a||+||b|| für alle a,bVa,b\in V
Diese Abbildung wird Norm genannt. Man benutzt die Doppelstriche ||\cdot|| um die Norm vom Absolutbetrag der reellen Zahlen zu unterscheiden.
Eigenschaft iii. ist die allseits bekannte Dreiecksungleichung in vektorieller Form.
 
 

Satz 5310D (Eigenschaften normierter Vektorräume)

Sei VV ein normierter Vektorraum mit der Norm ||\cdot|| und aVa\in V. Dann gilt:
  1. 0=0||0||=0
  2. a=a||\uminus a||=||a||
Zusammen mit der obigen Definition bedeutet (i): x=0:x=0||x||=0:\Leftrightarrow x=0.

Beweis

i. erhält man sofort aus 0=20=20||0||=||2\cdot 0||=2\cdot||0||.
ii. ist ebenso einfach a=1a=1a=a||\uminus a||=||\uminus 1\cdot a||=|\uminus 1|\cdot ||a||= ||a|| \qed

Bemerkung

Durch den Ansatz d(x,y):=xyd(x,y):=||x-y|| wird auf VV eine Metrik erklärt. Damit ist VV insbesondere ein metrischer Raum. Begriffe, wie konvergente Folge, Cauchyfolge, offene Mengen und abgeschlossene Mengen etc. gelten auch für normierte Räume.

Definition Banachraum

Ein vollständiger normierter Raum heißt Banachraum (benannt nach dem Mathematiker Stefan Banach).

Beispiele

Reelle Zahlen

(R,)(\R,|\cdot|) ist der normierte Raum der reellen Zahlen mit der Betragsfunktion (siehe Satz 5221C).
Rn\R^n mit der p-Norm (Rn,p)(\R^n,||\cdot||_p)
xp=(i=1nξip)1p||x||_p= \left(\sum\limits_{i=1}^n |\xi_i|^p\right)^{\dfrac{1}{p}} für 1p<1\leq p<\infty,
wobei x=(ξ1,,ξn)x=(\xi_1,\dots,\xi_n).
Diese Norm geht für pp\to\infty in die die Maximumnorm x=max1inξi||x||_\infty=\max_{1\leq i \leq n} |\xi_i| über.
Weitere Spezialfälle der p-Norm sind
x1=i=1nξi||x||_1 = \sum\limits_{i=1}^n |\xi_i| die Summennorm und
x2=i=1nξi2||x||_2= \sqrt{\sum\limits_{i=1}^n |\xi_i|^2} die euklidische Norm.
Der Beweis der Normeigenschaften ist einfach zu führen; die Dreiecksungleichung entspricht der Minkowskischen Ungleichung. Der Rn\Rn mit einer beliebigen Norm ist vollständig, also ein Banachraum (vgl. hierzu Satz 16KC).

Stetige Funktionen

Sei C([a,b])C([a,b]) die Menge aller stetigen Funktionen auf dem abgeschlossenen Intervall [a,b][a,b]. Mit f:=supx[a,b]f(x)=maxx[a,b]f(x) \ntxbraceII{f} := \sup_{x\in[a,b]}\ntxbraceI{f(x)}=\max_{x\in[a,b]}\ntxbraceI{f(x)} definieren wir eine Norm (Rechtfertigung vgl. Satz 15FV). Dieser Raum ist ein Banachraum (siehe Satz 16K8).

Polynome

Der Funktionenraum der Polynome P:={p ⁣:[a,b]R ⁣:p ist Polynom}C([a,b])\mathcal{P} := \{ p\colon [a,b] \rightarrow \mathbb{R}\colon p \text{ ist Polynom}\} \subset C([a,b]) mit der Norm p=maxx[a,b]p(x)\ntxbraceII{p}_{\infty} = \max\limits_{x\in [a,b]} \ntxbraceI{p(x)} ist nicht vollständig.

Beweis

Wir wissen ex=k=0xkk!e^{x}=\sum\limits_{k=0}^{\infty}\dfrac{x^{k}}{k!} ist gleichmäßig konvergent auf [a,b][a,b]. Daraus folgt, die Folge (pn)n(p_{n})_{n} mit pn(x)=k=0nxkk!Pp_{n}(x) = \sum\limits_{k=0}^{n}\dfrac{x^{k}}{k!} \in \mathcal{P} ist eine Cauchyfolge bezüglich \ntxbraceII{\cdot}_{\infty} ist. Angenommen pP\exists p\in \mathcal{P} mit pnp0\ntxbraceII{p_{n}-p} \rightarrow 0 p(x)ex \Rightarrow |{p(x) - e^{x}}| p(x)pn(x)+pn(x)exn0 \leq \ntxbraceII{p(x) - p_{n}(x)}_{\infty}+\ntxbraceII{p_{n}(x)-e^{x}}_{\infty} \xrightarrow{n\rightarrow\infty} 0 . Damit ist p(x)=exp(x) = e^{x}, was ein Widerspruch zu unserer Annahme steht, da die Exponentialfunktion kein Polynom ist exPe^{x}\notin\mathcal{P}.

Beispiel

Der Raum C([0,1])C([0,1]) mit der Norm f1=01f(t)dt\ntxbraceII{f}_{1} = \int\limits_{0}^{1} \ntxbraceI{f(t)} \, dt ist nicht vollständig.

Beweis

int.png
Für m2m \geq 2 definieren wir fm(t):={00t<12m(t12)12t<12+1m=:am1amt1 f_{m}(t) := \begin{cases} 0 & 0\leq t < \dfrac12\\ m(t-\dfrac12) & \dfrac12 \leq t < \dfrac12+\dfrac1m =: a_{m}\\ 1 & a_{m} \leq t \leq 1 \end{cases} .
Es ist fm1||f_m||_1 =01fm(t)dt=\int\limits_0^1|f_m(t)|d t =0120dt+121m+12m(t12)dt+1m+1211dt=\int\limits_0^\dfrac 12 0 dt+\int\limits_\dfrac 12^{\dfrac 1m +\dfrac 12}m(t-\dfrac12)dt+\int\limits_{\dfrac 1m +\dfrac 12}^1 1dt =m[12t(t1)]121m+12+121m=m \left[\dfrac 12t(t-1)\right]_\dfrac 12^{\dfrac 1m +\dfrac 12}+\dfrac 12-\dfrac 1m =12121m=\dfrac 12-\dfrac 12\dfrac 1m. Sei n>mn > m \Rightarrow fnfm1\ntxbraceII{f_{n}-f_{m}}_{1} =12(1m1n)=\dfrac 12\left(\dfrac 1m-\dfrac 1n \right) 1m0 \leq \dfrac1m \rightarrow 0 \Rightarrow (fn)n(f_{n})_{n} ist Cauchyfolge. Annahme: Es existiert ein fC([0,1])f\in C([0,1]) mit fnf10\ntxbraceII{f_{n}-f}_{1} \rightarrow 0. Dann ist fnf1=012f(t)dt+12amfn(t)f(t)dt+am11f(t)dt \ntxbraceII{f_{n}-f}_{1} = \int\limits_{0}^{\dfrac12}\ntxbraceI{f(t)} \, dt+ \int\limits_{\dfrac12}^{a_{m}}\ntxbraceI{f_{n}(t)-f(t)} \, dt + \int\limits_{a_{m}}^{1}\ntxbraceI{1-f(t)} \, dt Für nn\rightarrow \infty geht am12a_{m} \rightarrow \dfrac12 und damit gilt: 012f(t)dt=0und1211f(t)dt=0 \int\limits_{0}^{\dfrac12}\ntxbraceI{f(t)} \, dt = 0\quad\text{und}\quad \int\limits_{\dfrac12}^{1}\ntxbraceI{1-f(t)} \, dt = 0 . Die Funktion ff muss also die Gestalt f(t)={0 ⁣:0<t121 ⁣:12<t1 f(t) = \begin{cases} 0 & \colon0 < t \leq \dfrac12\\ 1 & \colon\dfrac12 < t \leq 1 \end{cases} haben, was einen Widerspruch zu der Annahme ff sei stetig darstellt.

Es gibt Dinge, die den meisten Menschen unglaublich erscheinen, die nicht Mathematik studiert haben.

Archimedes

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