Reflexive Räume

Definition

Es sei (X,X)(X,\|\cdot\|_X) ein normierter Raum. Man kann zeigen, dass sein (topologischer) Dualraum XX^* ein Banachraum ist. Dessen Dualraum (X)\left(X^*\right)^* wird mit XX^{**} bezeichnet und heißt Bidualraum von XX.
Durch die Abbildungsvorschrift
Xx[xx(x)]XX \ni x \mapsto [x^* \mapsto x^*(x)] \in X^{**}
wird eine stetige lineare Isometrie JX:XXJ_X: X \to X^{**} definiert, die kanonische Einbettung. Die definierende Gleichung von JXJ_X liest sich also in Bilinearformschreibweise so:
JXx,xX=x,xXxX \langle J_X x, x^* \rangle_{X^*} = \langle x^*, x\rangle_X \quad \forall x^* \in X^*\,
Als Isometrie ist JXJ_X injektiv. Falls JXJ_X zusätzlich surjektiv ist, also insgesamt ein isometrischer Isomorphismus zwischen XX und XX^{**} ist, so nennt man XX einen reflexiven Raum.

Beispiele

  • Jeder endlichdimensionale Banachraum ist reflexiv.
  • Nach dem Rieszschen Darstellungssatz ist jeder Hilbertraum reflexiv.
  • Abgeschlossene Unterräume reflexiver Räume sind reflexiv.
  • Für alle 1<p<1<p<\infty und alle kNk\in \mathbb{N} sind die Lebesgue-Räume Lp(Ω)L^p\left(\Omega\right) sowie alle Sobolev-Räume Wk,p(Ω)W^{k,p}\left(\Omega\right) für alle offenen Teilmengen ΩRn\Omega\subset \mathbb{R}^n reflexiv.
  • Für alle 1<p<1<p<\infty sind die Folgenräume p(K)\ell^p(\mathbb{K}) mit K=R,C\mathbb{K}=\mathbb{R}, \mathbb{C} reflexiv.
  • Die Banachräume l1(K),l(K),L1(Ω),L(Ω),BCk(Ω)l^1(\mathbb{K}),l^\infty(\mathbb{K}), L^1(\Omega), L^\infty(\Omega), BC^k(\Omega) sind nicht reflexiv.

Reflexivitätskriterien

Ein Banachraum ist genau dann reflexiv,
  • (Satz von Kakutani) wenn die Einheitskugel kompakt in der schwachen Topologie ist.
  • (Satz von Eberlein-Šmulian) wenn jede beschränkte Folge eine schwach konvergente Teilfolge besitzt.
  • (Satz von James) wenn jedes stetige lineare Funktional seine Norm auf der Einheitskugel annimmt .

Eigenschaften reflexiver Räume

Jeder reflexive normierte Raum ist ein Banachraum, denn er ist nach Definition isomorph zum vollständigen Bidualraum. In reflexiven Banachräumen ist die abgeschlossene Einheitskugel (allgemeiner jede beschränkte und schwach abgeschlossene Teilmenge) schwach kompakt, d.h. kompakt bzgl. der schwachen Topologie (dies folgt direkt aus dem Satz von Banach-Alaoğlu über die schwach*-Kompaktheit der Einheitskugel des Bidualraum eines reflexiven Banachraums).
Diese Eigenschaft charakterisiert die reflexiven Räume: Ein Banachraum ist genau dann reflexiv, wenn seine Einheitskugel schwach kompakt ist.
Insbesondere besitzt jede beschränkte Folge in einem reflexiven Banachraum eine schwach konvergente Teilfolge. Weiter gelten folgende Permanenzaussagen:
  • XX ist genau dann reflexiv, wenn XX^* reflexiv ist.
  • Ist XX reflexiv und YXY\subset X ein abgeschlossener Unterraum, so sind YY und X/YX/Y reflexiv.

Anwendungen

Zusammen mit den sobolevschen Einbettungssätzen liefert die Existenz von schwach konvergenten Teilfolgen beschränkter Folgen häufig Lösungen von Variationsproblemen und damit partiellen Differentialgleichungen.

Reflexive lokalkonvexe Räume

Versieht man den Dualraum eines lokalkonvexen Raums XX mit der starken Topologie, so erhält man eine injektive, stetige, lineare Abbildung JX:XX,JX(x)(x):=x(x)J_X:X\rightarrow X^{**},\,J_X(x)(x^*) := x^*(x). XX heißt reflexiv, wenn JXJ_X ein topologischer Isomorphismus ist und halbreflexiv, wenn JXJ_X surjektiv ist. Im Gegensatz zum Fall normierter Räume ist JXJ_X im halbreflexiven Fall nicht automatisch ein topologischer Isomorphismus. Es gelten folgende Sätze:
  • Ein lokalkonvexer Raum ist genau dann halbreflexiv, wenn jede schwach abgeschlossene beschränkte Menge schwach kompakt ist.
  • Ein lokalkonvexer Raum ist genau dann reflexiv, wenn er halbreflexiv und quasitonneliert ist.

Literatur

  • R. Meise, D. Vogt: Einführung in die Funktionalanalysis, Vieweg, 1992 ISBN 3-528-07262-8
 
 

Die beste von allen Sprachen der Welt ist eine künstliche Sprache, eine ziemlich gedrängte Sprache, die Sprache der Mathematik.

N. I. Lobatschewski

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