Operationen auf Distributionen

Da der Distributionenraum ein Vektorraum über dem Körper C\C ist, sind die Addition von Distributionen und die Multiplikation einer komplexen Zahl mit einer Distribution schon definiert. Im Folgenden werden weitere Operationen auf Distributionen wie die Ableitung einer Distribution erklärt. Viele Operationen werden auf Distributionen übertragen, indem man diese Operation auf die Testfunktionen anwendet.
 
 

Multiplikation mit einer Funktion

Sei TD(Ω)T \in \mathcal{D}'(\Omega) und aC(Ω)a \in C^\infty(\Omega). Dann wird die Distribution aTD(Ω)a T \in \mathcal{D}'(\Omega) definiert als
(aT)(φ):=T(aφ): φD(Ω) (aT)(\phi) := T(a\phi): \ \forall \phi \in \mathcal{D}(\Omega) .

Differentiation

Motivation

Betrachtet man eine stetig differenzierbare Funktion ff und die ihr zugeordnete reguläre Distribution TfT_f, so erhält man die Rechenregel
(Tf,φ)=Ωf(t)φ(t)dt (T_{f^\prime},\phi) = \int\limits_{\Omega} f^\prime(t) \phi(t) \,\mathrm{d}t =Ωf(t)φ(t)dt= -\int\limits_{\Omega} f(t) \phi^\prime(t) \,\mathrm{d}t=(Tf,φ)= -(T_f,\phi^\prime).
Hierbei wurde partielle Integration verwendet, wobei die Randterme wegen der gewählten Eigenschaften der Testfunktion φ\phi wegfallen. Dies entspricht der schwachen Ableitung. Die beiden äußeren Terme sind auch für singuläre Distributionen definiert. Man verwendet dies zur Definition der Ableitung einer beliebigen Distribution TT.

Definition

Sei also TD(Ω)T \in \mathcal{D}'(\Omega) eine Distribution und αNn\alpha \in \N^n ein Multiindex. Dann wird eine Distribution xαTD(Ω)\partial_x^\alpha T \in \mathcal{D}'(\Omega) definiert als
(xαT)(φ):=(1)αT(xαφ), φD(Ω)(\partial_x^\alpha T)(\phi) := (-1)^{|\alpha|} T(\partial_x^\alpha \phi), \ \forall \phi \in \mathcal{D}(\Omega).

Beispiel

Die Heaviside-Funktion H:RRH : \R \rightarrow \R ist durch
H(x)={0:x0,1:x>0, H(x) = \begin{cases} 0 : & x \le 0 ,\\ 1 : & x > 0 ,\end{cases}
definiert. Sie ist mit Ausnahme der Stelle x=0x = 0 überall differenzierbar. Man kann sie als reguläre Distribution betrachten und die Rechnung
(H,φ)=(H,φ)=01φ(x)dx (H^\prime,\phi) = -(H,\phi^\prime)= -\int\limits_0^\infty 1\cdot\phi^\prime(x)\,\mathrm{d}x=φ(0)=(δ,φ)= \phi(0)= (\delta,\phi)
zeigt, dass ihre Ableitung (als Distribution) die Delta-Distribution ist:
H=δH^\prime = \delta.
Man kann außerdem die Delta-Distribution selbst ableiten:
(δ(n),φ)=(1)n(δ,φ(n))=(1)nφ(n)(0) \left(\delta^{(n)},\phi\right) = (-1)^n \left(\delta,\phi^{(n)}\right) = (-1)^n\phi^{(n)}(0)\,
Die Ableitungen der Delta-Distribution sind also bis auf den zusätzlichen Vorzeichenfaktor (1)n (-1)^n gleich den Ableitungen der Testfunktion an der Stelle x=0x = 0\,\,

Tensorprodukt

Motivation

Sei die Menge GR2nG \subset \R^{2n} als Produktraum G:=G1×G2G := G_1 \times G_2 mit G1,G2RnG_1, G_2 \subset \R^n gegeben. Dann kann man auf den Funktionen f1C(G1)f_1 \in C^\infty(G_1) und f2C(G2)f_2 \in C^\infty(G_2) mittels der Vorschrift
(f1f2)(x,y)f1(x)f2(y)(f_1 \otimes f_2)(x,y) \mapsto f_1(x) f_2(y)
ein Tensorprodukt definieren. Analog dazu kann man ein Tensorprodukt zwischen Distributionen definieren. Dazu werden zuerst reguläre Distributionen betrachtet. Seien f1Lloc1(G1)f_1 \in L^1_{loc}(G_1) und f2Lloc1(G2)f_2 \in L^1_{loc}(G_2) zwei lokal-integrierbare Funktionen, so folgt aus obiger Definition
(f1f2)(φ)=G1×G2f1(x)f2(y)φ(x,y)d(x,y) (f_1 \otimes f_2)(\phi) = \int\limits_{G_1 \times G_2} f_1(x)f_2(y) \phi(x,y) \mathrm{d}(x,y)=G1f1(x)G2f2(y)φ(x,y)dydx = \int\limits_{G_1} f_1(x) \int\limits_{G_2} f_2(y) \phi(x,y) \mathrm{d}y \mathrm{d}x =G2f2(y)G1f1(x)φ(x,y)dxdy= \int\limits_{G_2} f_2(y) \int\limits_{G_1} f_1(x) \phi(x,y) \mathrm{d}x \mathrm{d}y
für alle φCc(G1×G2)\phi \in C_c^{\infty}(G_1 \times G_2)\, Daraus folgt
(f1f2)(φ)=f1(f2(φ))=f2(f1(φ))(f_1 \otimes f_2)(\phi) = f_1(f_2(\phi)) = f_2(f_1(\phi))\,
Hieraus leitet man folgende Definition ab:

Definition

Seien T1D(G1)T_1 \in \mathcal{D}'(G_1) und T2D(G2)T_2 \in \mathcal{D}'(G_2). Dann ist T1T2T_1 \otimes T_2 eine Distribution aus D(G1×G2)\mathcal{D}'(G_1 \times G_2), welche durch
(T1T2)(φ):=T1(T2(φ))=T2(T1(φ)) (T_1 \otimes T_2)(\phi) := T_1(T_2(\phi)) = T_2(T_1(\phi))
definiert ist.

Glättung einer Distribution

Distributionen können gezielt geglättet bzw. verschmiert bzw. approximiert werden, z. B. indem man die δ\delta-Distribution durch glatte Approximationsfunktionen ersetzt, wie z. B. die δ\delta -Distribution durch die oben definierten δa(x)\delta_a(x) oder die Heaviside-Distribution durch die Integrale solcher Funktionen. Bei dreidimensionalen Differentialgleichungen kann man so z. B. feststellen, ob die Randbedingungen zu den Differentialgleichungen passen, die für das Innere gelten. Das ist für viele Anwendungen nützlich, zumal die Glättungsfunktionen, bis auf den Limes, nicht eindeutig vorgegeben sind, was zu erhöhter Flexibilität führt. Ebenso kann man auch gezielt Distributionen wie die obige PV-Distribution regularisieren, indem man z. B. die Testfunktionen mit geeigneten Faktoren versieht oder in anderer Weise vorgeht.

Faltung mit einer Funktion

Definition

Sei TD(Rn)T \in \mathcal{D}'(\R^n) eine Distribution und φCc(Rn)\phi \in C^\infty_c(\R^n) eine Funktion, dann ist die Faltung von TT mit φ\phi definiert durch
(Tφ)(x) ⁣:=T(φ(x))(T * \phi)(x) \colon= T(\phi(x-\cdot)).

Beispiel

Sei μ\mu ein Radon-Maß und sei TμD(Rn),T_\mu \in \mathcal{D}'(\R^n), die mit dem Radon-Maß identifizierte Distribution. Dann gilt für die Faltung von μ\mu mit φCc(Rn)\phi \in C_c^\infty(\R^n)
(μφ)(x) ⁣:=(Tμφ)(x)=Tμ(φ(x))=Rnφ(xy)dy(\mu * \phi)(x) \colon= (T_\mu * \phi)(x) = T_\mu(\phi(x-\, )) = \int\limits_{\R^n} \phi(x-y) \mathrm{d} y\,

Eigenschaften

  • Falls TT eine glatte Funktion ist, so stimmt die Definition mit der Faltung von Funktionen überein.
  • Das Ergebnis der Faltung ist eine glatte Funktion, also gilt
  • (Tφ)C(Rn)(T * \phi) \in C^\infty(\R^n).
  • Für TD(Rn)T \in \mathcal{D}'(\R^n) und φ,ψCc(Rn)\phi, \psi \in C^\infty_c(\R^n) ist die Faltung assoziativ, das heißt es gilt
  • (Tφ)ψ=T(φψ)C(Rn)(T * \phi) * \psi = T * (\phi * \psi) \in C^\infty(\R^n).
  • Für jeden Multi-Index α\alpha gilt für die Ableitung der Faltung
  • α(Tφ)=(αT)φ=T(αφ)\partial^\alpha(T * \phi) = (\partial^\alpha T) * \phi = T * (\partial^\alpha \phi).

Faltung zweier Distributionen

Definition

Seien T1T_1 und T2T_2 zwei Distributionen, von denen mindestens eine kompakten Träger hat. Dann ist für alle φCc(Rn)\phi \in C_c^\infty(\R^n) die Faltung zwischen diesen Distributionen definiert durch
(T1T2)φ=T1(T2φ)(T_1 * T_2) * \phi = T_1 * (T_2 * \phi).
Cc(Rn)φT1(T2φ)C_c^\infty(\R^n) \ni \phi \mapsto T_1 * (T_2 * \phi)
ist linear, translationsinvariant und stetig. Daher gibt es eine eindeutige Distribution TD(Rn)T \in \mathcal{D}'(\R^n), so dass
T1(T2φ)=Tφ T_1 * (T_2 * \phi) = T * \phi
für alle φCc(Rn)\phi \in C_c^\infty(\R^n) gilt.

Eigenschaften

Diese Definition ist eine Verallgemeinerung der hier schon erwähnten Definitionen. Wählt man für TiT_i eine reguläre Distribution, also eine Funktion, so entspricht dies den hier aufgeführten Definitionen. Es gelten die Eigenschaften:
  • Die Faltung ist kommutativ
  • T1T2=T2T1 T_1 * T_2 = T_2 * T_1\,
  • Für den Träger gilt
  • supp(T1T2)supp(T1)+supp(T2)\operatorname{supp}(T_1 * T_2) \subseteq \operatorname{supp}(T_1) + \operatorname{supp}(T_2).
  • Für den singulären Träger erhält man
  • singsupp(T1T2)singsupp(T1)+singsupp(T2)\operatorname{sing}\, \operatorname{supp}(T_1 * T_2) \subseteq \operatorname{sing}\, \operatorname{supp}(T_1) + \operatorname{sing}\, \operatorname{supp}(T_2).

Temperierte Distributionen

Fourier-Transformation

Um eine Kontinuierliche Fourier-Transformation F\mathcal{F} auf Distributionen definieren zu können, muss man die Menge der Distributionen erst einschränken. Nicht jede Funktion ist fouriertransformierbar, analog dazu kann man auch nicht für jede Distribution die Fouriertransformierte erklären. Aus diesem Grund entwickelte Laurent Schwartz den heute nach ihm benannten Schwartz-Raum S(Rn)\mathcal{S}(\R^n), indem er diesen Raum über eine Familie von Seminormen definierte, die bezüglich der Multiplikation mit der Ortsvariablen xx und der Differentiation danach symmetrisch ist. Weil die Fouriertransformation Differentiation nach xx und Multiplikation mit xx vertauscht, impliziert diese Symmetrie, dass die Fouriertransformierte einer Schwartz-Funktion wieder eine Schwartz-Funktion ist. Auf diesem Raum ist daher die Fourier-Transformation ein Automorphismus, also eine stetige, lineare und bijektive Abbildung auf sich selbst. Der topologische Dualraum S(Rn)\mathcal{S}'(\R^n), also der Raum der stetigen, linearen Funktionale von S(Rn)C\mathcal{S}(\R^n) \to \C, heißt Raum der temperierten Distributionen. Die Menge der temperierten Distributionen S\mathcal S' ist umfangreicher als die Menge der Distributionen mit kompaktem Träger, E,\mathcal E'\,, was daran liegt, dass die Menge der Schwartz-Funktionen eine Teilmenge des Raums der glatten Funktionen ist. Je kleiner ein Funktionenraum ist, desto größer ist nämlich sein Dualraum. Daher ist auch die Menge der temperierten Distributionen im Raum D\mathcal{D}' enthalten. Denn die Menge der glatten Funktionen mit kompaktem Träger ist eine Teilmenge des Schwartz-Raums.
Die Fouriertransformation von TS(Rn)T \in S'(\R^n) kann für alle φS(Rn)\phi \in S(\R^n) durch
F(T)(φ):=T(F(φ))\mathcal{F}(T)(\phi) := T(\mathcal{F}(\phi))  
definiert werden. Auch auf S(Rn)\mathcal{S}'(\R^n) ist die Fouriertransformation ein Automorphismus. Die Fouriertransformierte der Delta-Distribution ist eine konstante Distribution, F(δ)(φ)=(2π)n/2(φ) \mathcal F(\mathcal \delta )(\phi )=(2\pi)^{-n/2} (\phi )\,\, Ein anderes Beispiel für eine temperierte Distribution ist der oben schon erwähnte Dirac-Kamm.

Faltungstheorem

Im Zusammenhang mit den obigen Definitionen der Faltung zweier Distributionen und der Fouriertransformation einer Distribution ist das Faltungstheorem interessant, das man wie folgt formulieren kann:
Sei T1S(Ω)T_1 \in \mathcal{S}'(\Omega) eine temperierte Distribution und T2E(Ω)T_2 \in \mathcal{E}'(\Omega) eine Distribution mit kompaktem Träger, dann gilt T1T2S(Ω)T_1 * T_2 \in \mathcal{S}'(\Omega) und das Faltungstheorem für Distributionen besagt:
F(T1T2)=(2π)n2F(T1)F(T2)\mathcal{F}(T_1 * T_2) = (2 \pi)^{\dfrac{n}{2}} \mathcal{F}(T_1) \cdot \mathcal{F}(T_2)\,
Die Multiplikation zweier Distributionen ist im Allgemeinen nicht definiert. In diesem besonderen Fall gibt F(T1)F(T2)\mathcal{F}(T_1) \cdot \mathcal{F}(T_2) allerdings Sinn, da F(T2)\mathcal{F}(T_2) eine glatte Funktion ist.

Gelfandsches Raumtripel

Es besteht ein konkreter Zusammenhang mit dem für viele Anwendungen relevanten Hilbertraum H(R)\mathcal H(\mathbb R ) der in R\mathbb R quadratintegrierbaren Funktionen. Jede Funktion aus S\mathcal S ist auch quadratintegrierbar, also SH\mathcal S\subset\mathcal H, also HS\mathcal H'\subset\mathcal S'.
Aber H\mathcal H und H\mathcal H' können bekanntlich identifiziert werden, weil die zugehörige Topologie von einem Skalarprodukt erzeugt wird, im Gegensatz zu der bzgl. S\mathcal S bzw. S\mathcal S'.
Also gilt die nach Israel Gelfand benannte Beziehung (Gelfandsches Raumtripel):
SHS\mathcal S\subset \mathcal H\subset \mathcal S'.
Dabei handelt es sich erstens um dichte Untermengen und zweitens ist in allen diesen Räumen die Fouriertransformation ein Automorphismus. Drittens gilt: Die Funktionen des sog. kontinuierlichen Anteils des Eigenwertspektrums eines Operators im Hilbertraum sind nicht quadratintegrierbar, sondern außerhalb von H\mathcal H gelegene Elemente des Raumes S\mathcal S'\,\,
In der Anwendung auf die Quantenmechanik bedeutet das, dass der Raum S\mathcal S' beispielsweise Eigenfunktionen des Orts- oder Impulsoperators (in der Standard-Darstellung sind dies ebene Wellen) enthält, die nicht in H=L2(R×R3C)\mathcal H = L^2(\mathbb{R} \times \mathbb{R}^3 \rightarrow \mathbb{C}) enthalten sind, weil das Integral über ihr Betragsquadrat divergiert.

Man darf nicht das, was uns unwahrscheinlich und unnatürlich erscheint, mit dem verwechseln, was absolut unmöglich ist.

Carl Friedrich Gauß

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