Konvergenzbetrachtungen zum Newton-Verfahren
Das
Newton-Verfahren ist ein so genanntes lokal konvergentes Verfahren. Konvergenz der in der
Newton-Iteration erzeugten Folge zu einer
Nullstelle ist also nur garantiert, wenn der Startwert, d.h. das
0-te Glied der Folge, schon "ausreichend nahe" an der
Nullstelle liegt. Ist der Startwert zu weit weg, kann alles passieren:
- Die Folge divergiert, der Abstand zur Nullstelle wächst über alle Grenzen.
- Die Folge divergiert, bleibt aber beschränkt. Sie kann z.B. periodisch werden, d.h. endlich viele Punkte wechseln sich in immer derselben Reihenfolge ab. Man sagt auch, dass die Folge oszilliert.
- Die Folge konvergiert trotz der Distanz zur Nullstelle, kann jedoch, falls die Funktion mehrere Nullstellen hat, gegen eine andere als die gewünschte Nullstelle (falls man weiß, welche man will) konvergieren.
Newton-Fraktal für
p(z)=z3−1
Ist der Startwert
x0 so gewählt, dass das
Newton-Verfahren konvergiert, so ist die Konvergenz allerdings quadratisch, also mit der Konvergenzordnung 2 (falls die
Ableitung an der
Nullstelle nicht verschwindet). Die
Menge der Startpunkte, für die das
Newton-Verfahren gegen eine bestimmte
Nullstelle konvergiert, bildet den Einzugsbereich dieser
Nullstelle. Färbt man für eine
Polynomfunktion, mit reellen oder komplexen Koeffizienten, die Einzugsbereiche verschiedener
Nullstellen in der
komplexen Ebene verschieden ein, so ergibt sich ein Newton-Fraktal. In diesem ist zu erkennen, dass die Einzugsbereiche Bassins, d.h. Kreisscheiben um die
Nullstellen enthalten, aus welchen heraus die Newton-Iteration stabil gegen die
Nullstelle im Zentrum konvergiert. Aber es ist auch zu erkennen, dass die Ränder der Einzugsbereiche "ausgefranst" sind, sie haben sogar eine fraktale Struktur. Geringe Abweichungen im Startpunkt können also zu verschiedenen
Nullstellen führen. Falls es jedoch im
Intervall I=]a;b[ genau eine
Nullstelle gibt, in
I durchweg
f′>0 sowie
f′′<0 gilt und der Startwert
x0∈I=]a;b[ links von der
Nullstelle ξ∈I gewählt wird, dann konvergiert das
Newton-Verfahren stets, und zwar
streng monoton wachsend (siehe [!Abbildung] unten bzw. die Tabelle oben ab
n=1).
Beispiele für Nicht-Konvergenz
Oszillierendes Verhalten
Oszillierendes Verhalten ergibt sich für das
Polynom f(x):=x3−2x+2 mit
f′(x)=3x2−2. Der
Punkt x=0 mit
f(0)=2 und
f′(0)=−2 wird durch den
Newton-Operator auf den
Punkt N(0)=0−2/(−2)=1 abgebildet, der
Punkt x=1 wiederum, mit
f(1)=1 und
f′(1)=1, wird auf
N(1)=1−1/1=0 abgebildet, so dass die Newton-Iteration mit einem dieser
Punkte als Startwert eine periodische Folge ergibt, diese beiden
Punkte wechseln sich zyklisch ab. Des Weiteren ist dieser [!Zyklus] stabil, er bildet einen Attraktor der Newton-Iteration. Das bedeutet, es gibt eine kleine
Umgebung beider
Punkte, so dass Startpunkte in dieser
Umgebung gegen den Zyklus konvergieren und somit je einen der
Punkte 0 und
1 als
Grenzwert der
Teilfolge mit geradem Index und der mit ungeradem Index haben.
Divergenz
Divergenz bzw. beliebig weites Entfernen vom Startpunkt ergibt sich für
f(x)=sin(x) mit
f′(x)=cos(x) und
N(x)=x−tan(x). Es gibt eine Stelle
x0∈[−π/2,0] mit
tan(x0)=−2π. Man überzeugt sich, dass dann
xn=x0+2πn gilt. Dieses Verhalten ist nicht stabil, denn bei leichter
Variation des Anfangswertes, wie sie zum Beispiel durch die numerische Berechnung entsteht, entfernt sich die Newton-Iteration immer weiter von der idealen divergierenden Folge. Selbst bei schließlicher Konvergenz wird die gefundene
Nullstelle sehr weit vom Startwert entfernt sein.
Lokale quadratische Konvergenz
- 0=f(a)=f(x)+f′(x)(a−x)+21f′′(ξ)(a−x)2 (ξ liegt zwischen x und a),
nach der
Differenz (x−a) umgestellt werden,
- x−a=f′(x)f(x)+2f′(x)f′′(ξ)(x−a)2.
Es wird nun so umgestellt, dass der
Newton-Operator auf der rechten Seite erscheint,
- Nf(x)−a=x−f′(x)f(x)−a=2f′(x)f′′(ξ)(x−a)2.
Seien
I ein
Intervall um
a ohne
Nullstelle der
Ableitung f′(x) und
m1=minx∈I∣f´(x)∣ sowie
M2=maxx∈I∣f′′(x)∣ Schranken der
Ableitungen von
f. Dann folgt für alle
x∈I die Abschätzung
- ∣Nf(x)−a∣≤2m1M2∣x−a∣2.
Mit
K=2m1M2 sei der konstante Faktor bezeichnet. In jedem Schritt
n der Newtoniteration wird die Größe
K∣xn−a∣ kleiner sein als das
Quadrat derselben Größe im vorhergehenden Schritt
(n−1). Nach
vollständiger Induktion ergibt sich
- K∣xn−a∣≤(K∣x0−a∣)2n.
Kann also für den Startpunkt der Iteration die Abschätzung
K∣x0−a∣<1 garantiert werden, z.B. indem die Intervallänge von
I kleiner als
1/K ist, so konvergiert die Folge
(xn) der Newton-Iteration gegen die
Nullstelle a, denn die Folge
(K∣xn−a∣) ist nach der angegebenen Abschätzung eine
Nullfolge. Die Verkürzung des
Intervalls kann durch einige Iterationen eines langsameren Verfahrens zur Nullstelleneinschränkung erreicht werden, z.B. des Bisektionsverfahrens oder der Regula falsi.
Die aus dieser Abschätzungen folgende Konvergenzgeschwindigkeit wird als
quadratisch bezeichnet, die (logarithmische) Genauigkeit bzw. Anzahl gültiger Stellen verdoppelt sich in jedem Schritt. Die Abschätzung des Abstands
∣xn−a∣ zur
Nullstelle wird oft linear in
∣x0−a∣ angegeben, so gilt z.B.
- ∣xn−a∣≤(21)2n−1⋅∣x0−a∣, falls die Länge des Intervalls I kleiner als 2K1 ist. Dies ergibt eine Abschätzung der gültigen Stellen im Binärsystem.
- ∣xn−a∣≤(101)2n−1⋅∣x0−a∣, falls die Länge des Intervalls I kleiner als 10K1 ist, d.h. nahe genug an der Nullstelle ergibt sich eine Verdopplung der Dezimalstellen in jedem Schritt.
Bemerkungen
- Der lokale Konvergenzbeweis kann auch auf gleiche Weise im mehrdimensionalen Fall geführt werden, allerdings ist er dann technisch etwas schwieriger, da mit zwei- und dreistufigen Tensoren für die erste bzw. zweite Ableitung gearbeitet wird. Im wesentlichen ist die Konstante K durch K=21supx∈U∥f′(x)−1∥(1,1)supx∈U∥f´´(x)∥(1,2) zu ersetzen, mit geeigneten induzierten Operatornormen.
- Der lokale Konvergenzbeweis setzt voraus, dass ein eine Nullstelle enthaltendes Intervall bekannt ist. Aus seinem Beweis ergibt sich aber keine Möglichkeit, dies schnell zu testen. Ein Konvergenzbeweis, auch hierfür ein Kriterium liefert, wurde zuerst von Leonid Kantorowitsch geführt und ist als Satz von Kantorowitsch bekannt.
- Um einen geeigneten Startpunkt zu finden, verwendet man gelegentlich andere ("gröbere") Verfahren. Beispielsweise kann man mit dem Gradientenverfahren eine ungefähre Lösung ermitteln und diese dann mit dem Newton-Verfahren verfeinern.
- Bei unbekanntem Startpunkt kann man mittels einer Homotopie die Funktion f, von der man eine Nullstelle sucht, zu einer einfacheren Funktion g deformieren, von der (mindestens) eine Nullstelle bekannt ist. Man durchläuft dann die Deformation rückwärts in Form einer endlichen Folge sich nur "wenig" unterscheidender Funktionen. Von der ersten Funktion g kennt man eine Nullstelle. Als Startwert der Newton-Iteration zur gerade aktuellen Funktion der Folge verwendet man die Näherung einer Nullstelle der in der Folge vorhergehenden Funktion.
- Als Beispiel mag die "Flutungshomotopie" dienen: mit einem willkürlichen z bilden wir die Ausgangsfunktion g(x)=f0(x):=f(x)−f(z) mit bekannter Nullstelle z . Wir haben den "Wasserspiegel" vom "Nullpegel" auf die Höhe f(z) geflutet. Nun senken wir schrittweise den Wasserstand, fn(x):=f(x)−(f(z)−n⋅h⋅f(z)),h=1/N,n=1…N. In jedem Schritt wird eine Näherung ξ(n) einer Nullstelle bestimmt, wobei x0:=ξ(n−1) gesetzt wird. Es ist fN=f und somit ξ(N) eine der gesuchten Näherungslösungen.
Nicht etwa, daß bei größerer Verbreitung des Einblickes in die Methode der Mathematik notwendigerweise viel mehr Kluges gesagt würde als heute, aber es würde sicher viel weniger Unkluges gesagt.
Karl Menger
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