Fourier-Reihen

Als Fourierreihe einer periodischen Funktion f(x)f (x), die abschnittsweise stetig und monoton ist, bezeichnet man deren Entwicklung in eine Funktionenreihe aus Sinus- und Kosinusfunktionen.
Die Basisfunktionen der Fourierreihe bilden das bekannteste Beispiel für ein orthogonales Funktionensystem. Im Rahmen der Theorie der Hilberträume werden auch Entwicklungen nach einem beliebigen vollständigen Orthonormalsystem als Fourierreihe bezeichnet.
 
 

Darstellungsformen

Die Partialsummen einer Fourierreihe sind trigonometrische Polynome. Wie diese können Fourierreihen in drei gleichwertigen Formen dargestellt werden. Zu jeder dieser Darstellung gibt es zugehörige Formeln zum Bestimmen der Koeffizienten bzw. Parameter der Fourierreihenentwicklung einer periodischen Funktion.
Eine Fourierreihenentwicklung einer periodischen Funktion ff mit Periode T>0T>0 ist in den folgenden, schrittweise allgemeiner werdenden Fällen möglich:
  1. wenn ff stetig und abschnittsweise stetig differenzierbar ist; die Fourierreihe konvergiert dabei punktweise und gleichmäßig.
  2. wenn ff eine beschränkte totale Variation über einer Periode hat, und die Funktionswerte von ff mit dem Mittel aus den links- und rechtsseitigen Grenzwerten übereinstimmen, 2f(x)=f(x+0)+f(x0)2\,f(x)=f(x+0)+f(x-0) für alle xRx\in\R; die Fourierreihe konvergiert dann nur punktweise.
  3. wenn ff, auf eine Periode [c,c+T][c,c+T] eingeschränkt, dem Funktionenraum L2([c,c+T])L^2([c,c+T]) angehört; mit Konvergenz im Sinne der L2L^2-Norm.

Allgemeine Form

Eine periodische Funktion ff mit Periode T>0T>0, die einer der angegebenen Klassen angehört, lässt sich durch eine Reihe von Sinus- und Kosinusfunktionen darstellen, deren Frequenzen ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz ω=2π/T\omega=2\pi / T sind,
f(t)=a02+n=1(ancos(nωt)+bnsin(nωt))\displaystyle f(t)=\dfrac{a_0}{2} + \sum\limits_{n=1}^\infty (a_n \cdot \cos(n \omega t) + b_n \cdot \sin(n\omega t)) .
Die Kreisfrequenz ω\omega skaliert hierbei die Periode 2π\pi von Sinus und Kosinus auf die entsprechende Periode TT. In der praktischen Anwendung wird man die Reihe häufig nach endlich vielen Reihengliedern abbrechen. Man erhält dann nur eine Approximation von ff in Form eines trigonometrischen Polynoms.
Die Koeffizienten der Entwicklung von ff sind
an=2Tcc+Tf(t)cos(nωt)dt\displaystyle a_n=\dfrac{2}{T}\int\limits_{c}^{c+T} f(t) \cdot \cos(n\omega t)\, \mathrm{d}t und bn=2Tcc+Tf(t)sin(nωt)dt\displaystyle b_n=\dfrac{2}{T}\int\limits_{c}^{c+T} f(t) \cdot \sin(n\omega t)\, \mathrm{d}t
Das cc stellt eine Verschiebung des Intervalls dar und kann zur Vereinfachung beliebig gewählt werden.
a02=1Tcc+Tf(t)dt\displaystyle\dfrac{a_0}{2}=\dfrac{1}{T}\int\limits_{c}^{c+T} f(t) \mathrm{d}t
ist der Gleichanteil (wechsellose Größe oder auch Anteil der Frequenz f0=0f_0=0)
Einfache Eigenschaften dieser Entwicklung sind, dass
  • bn=0b_n=0 für alle nn gilt, falls ff gerade ist, f(x)=f(x) f(-x)=f(x)
  • an=0a_n=0 für alle nn gilt, falls ff ungerade ist, f(x)=f(x) f(-x)=-f(x)
Sind alle bn=0b_n=0, d.h. ist ff gerade, so kann ana_n auch über an=4/Tcc+T/2f(t)cos(nωt)dt\textstyle a_n=4/T \int\limits_{c}^{c+T/2} f(t) \cdot \cos(n\omega t)\, \mathrm{d}t berechnet werden. Dies ist möglich, weil durch die Symmetrie des Kosinus und der Funktion die Werte des Integrals in beiden Halbintervallen gleich sind. So ergeben sich oft Vereinfachungen. Umgekehrt gilt dies auch für an=0a_n=0. Bricht man die Reihenentwicklung nach einer endlichen Zahl von Gliedern ab, so ist das entstehende trigonometrische Polynom unter allen trigonometrischen Polynomen der gleichen Struktur dasjenige mit minimalem mittleren quadratischen Fehler zur ursprünglichen Funktion ff.
Ist die zugrundeliegende Funktion unbekannt bzw. liegen nur gegebene diskrete Daten (z.B. Messwerte) vor, werden an,bna_n,\, b_n nur aus den Stützpunkten approximiert (Trigonometrische Interpolation).

Amplituden-Phasen-Notation

In der obigen Darstellung wird das Signal mit Hilfe eines Sinusspektrums und eines Kosinusspektrums dargestellt. Es ist aber auch eine Darstellung mittels Phasen- und Amplitudenspektrums möglich, da man die additive Überlagerung (Interferenz) einer Sinus- und einer Kosinusschwingung auch als phasenverschobene Kosinusschwingung darstellen kann:
f(t)=a02+n=1(Ancos(nωtφn))\displaystyle f(t)=\dfrac{a_0}{2} + \sum\limits_{n=1}^\infty (A_n \cos(n\omega t - \varphi_n))
Dabei ist
An=an2+bn2\displaystyle A_n=\sqrt{a_n^2+b_n^2} und
φn={arctanbnan,wenn an0arctanbnan+π,wenn an<0 \varphi_n=\begin{cases} \arctan{\dfrac {b_n} {a_n}}, & \text{wenn }a_n \ge 0 \\ \arctan{\dfrac {b_n} {a_n}}+\pi, & \text{wenn }a_n < 0 \end{cases}
φn\varphi_n zeigt in den Quadranten, in welchem auch der Punkt (an,bn)(a_n,b_n) liegt.

Komplexe Fourierreihe

Man kann nun jedes Paar von Amplitude und Verschiebung als komplexe Zahl in Polarkoordinatendarstellung interpretieren. Damit lassen sich die beiden Spektren in eines überführen. Eine Vereinfachung von geraden bzw. ungeraden Funktionen wie im Reellen ist so jedoch nicht möglich.
f(t)=n=cneinωt\displaystyle f(t)=\sum\limits_{n=-\infty}^{\infty} c_n \mathrm{e}^{\mathrm{i}n\omega t}
Dabei ist
cn=1Tcc+Tf(t)einωtdt\displaystyle c_n =\dfrac1T\int\limits_{c}^{c+T} f(t) \mathrm{e}^{-\mathrm{i}n\omega t} dt
Die Berechnung ist oft einfacher, da zum einen die ee-Funktion leicht zu integrieren ist und zum anderen nur noch ein Koeffizient statt zwei zu berechnen ist. Sie setzt allerdings einen sicheren Umgang mit den komplexen Zahlen voraus.

Zusammenhang zwischen reellen und komplexen Fourierkoeffizienten

Reell zu komplex:
c0=a02\displaystyle c_0 = \dfrac{a_0}{2}
cn=(anibn)2\displaystyle c_n = \dfrac{(a_n - \mathrm{i} b_n)}{2} bei n>0n>0
cn=(an+ibn)2\displaystyle c_{n} = \dfrac{(a_n + \mathrm{i} b_n)}{2} bei n<0 n<0
Komplex zu reell:
a0=2c0\displaystyle a_0 = 2 \cdot c_0
an=cn+cn\displaystyle a_n = c_n + c_{-n}
bn=i(cncn)\displaystyle b_n = \mathrm{i} (c_n - c_{-n})

Beispiele

Dreieckpuls

Die Dreiecksfunktion lässt sich je nach gewünschter Phasenlage mit Sinus- und Kosinustermen approximieren. Mit hh kann man die Amplitude der Kurve bestimmen:
f(t)=4hπ2[cosωt+132cos3ωt+152cos5ωt+]\displaystyle f(t)= \dfrac{4h}{\pi^2}\left[ {\cos {\omega t} + \dfrac {1}{3^2}\cos{3 \omega t} + \dfrac {1}{5^2}\cos {5 \omega t} + \ldots}\right] =4hπ2k=1cos((2k1)ωt)(2k1)2 = \dfrac {4h}{\pi^2} \sum\limits_{k=1}^\infty \dfrac{ \cos ((2k-1) \omega t)}{(2k-1)^2}
f(t)=4hπ2[sinωt132sin3ωt+152sin5ωt]\displaystyle f(t)= \dfrac{4h}{\pi^2}\left[ {\sin {\omega t} - \dfrac {1}{3^2}\sin{3 \omega t} + \dfrac {1}{5^2}\sin {5 \omega t} - \ldots}\right] =4hπ2k=1(1)k1sin((2k1)ωt)(2k1)2 = \dfrac {4h}{\pi^2} \sum\limits_{k=1}^\infty (-1)^{k-1} \dfrac{ \sin((2k-1) \omega t)}{(2k-1)^2}

Rechteckimpuls

Gleiches gilt für den Rechteckimpuls:
f(t)=4hπ[sinωt+13sin3ωt+15sin5ωt+]\displaystyle f(t)= \dfrac{4h}{\pi}\left[ {\sin {\omega t} + \dfrac {1}{3}\sin{3 \omega t} + \dfrac {1}{5}\sin{5 \omega t} + \ldots}\right] =4hπk=1(sin((2k1)ωt)2k1) = \dfrac{4h}{\pi} \sum\limits_{k=1}^\infty \over{\sin{\left ( (2k-1)\omega t \right )}}{ 2k-1}
f(t)=4hπ[cosωt13cos3ωt+15cos5ωt]\displaystyle f(t)= \dfrac{4h}{\pi}\left[ {\cos {\omega t} - \dfrac {1}{3}\cos{3 \omega t} + \dfrac {1}{5}\cos{5 \omega t} - \ldots}\right] =4hπk=1(1)k1(cos((2k1)ωt)2k1) = \dfrac{4h}{\pi} \sum\limits_{k=1}^\infty (-1)^{k-1} \over{\cos{\left ( (2k-1)\omega t \right )}}{ 2k-1}

Sägezahnpuls (steigend)

Ebenso lassen sich punktsymmetrische aus Sinustermen approximieren. Hier erreicht man eine Phasenverschiebung durch alternierende Vorzeichen:
f(t)=2hπ[sinωt12sin2ωt+13sin3ωt]\displaystyle f(t)=- \dfrac{2h}{\pi}\left[ {\sin {\omega t} - \dfrac {1}{2}\sin{2 \omega t} + \dfrac {1}{3}\sin {3 \omega t} - \ldots}\right] =2hπk=1(1)k1sinkωtk = - \dfrac {2h}{\pi}\sum\limits_{k=1}^{\infty}(-1)^{k-1} \dfrac {\sin k \omega t}{k}

Sinuspuls

f(t)=hsinωt \displaystyle f(t) = h\left| \sin {\omega t} \right|=4hπ[12cos2ωt3cos4ωt15cos6ωt35] = \dfrac{4h}{\pi}\left[ \dfrac{1}{2} - \dfrac { \cos {2 \omega t}}{3}-\dfrac { \cos {4 \omega t}}{15}-\dfrac { \cos {6 \omega t}}{35}-\dots \right] =2hπ4hπk=1cos2kωt(2k)21 = \dfrac{2h}{\pi} - \dfrac{4h}{\pi} \sum\limits_{k=1}^{\infty} \dfrac { \cos {2 k\omega t}}{(2k)^2-1}

Ein Mathematiker, der nicht irgendwie ein Dichter ist, wird nie ein vollkommener Mathematiker sein.

Karl Weierstraß

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