Umkehrsatz

Der Umkehrsatz beantwortet die Frage, unter welchen Bedingungen eine Funktion f:RnRnf:\R^n\rightarrow \R^n umkehrbar ist und welche analytischen Eigenschaften dann die Umkehrfunktion f1f^{-1} besitzt. Ist f(x)=Axf(x)=Ax, wobei AA eine Matrix aus Mat(n,R)\Mat(n,\R) ist, dann wissen wir, dass f(x)f(x) genau dann umkehrbar ist, wenn AA invertierbar ist, also detA0\det A\neq 0 gilt. Dieses Ergebnis kann für beliebige Funktionen mit folgenden Modifikationen übernommen werden.
  • Wir verzichten auf die globale Umkehrbarkeit
  • An Stelle der Matrix AA tritt die Jacobimatrix

Satz 16KU (Satz von der inversen Funktion/ Umkehrsatz)

Sei f:DRnf:D\rightarrow\R^n mit DRnD\subset\R^n offen, stetig differenzierbar und in ξD\xi\in D sei die Jacobimatrix f(ξ)f'(\xi) invertierbar. Dann existiert eine offene Umgebung U(ξ)DU(\xi)\subset D von ξ\xi und eine ε\varepsilon-Umgebung von η=f(ξ)\eta=f(\xi), so dass fU:UUε(η)f|_U:U\rightarrow U_\varepsilon(\eta) bijektiv die Umgebung UU auf Uε(η)U_\varepsilon(\eta) abbildet. Die Umkehrung fU1f_U^{-1} von fUf|_U ist stetig differenzierbar und für die Ableitung gilt:
(fU1)(y)=f(x)1(f|_U^{-1})'(y)=f\, '(x)^{\me} mit y=f(x) y=f(x) und xU x\in U
(fU1)(f(x))=f(x)1(f|_U^{-1})'(f(x))=f\, '(x)^{\me} für xU x\in U

Beweis

Man definiert F:D×RnRnF:D\times\R^n\rightarrow\R^n als F(x,y):=f(x)y=0 F(x,y):=f(x)-y=0.FF ist stetig differenzierbar, weil ff stetig differenzierbar ist, mit Fx(ξ,f(ξ))=f(ξ)\dfrac{\partial F}{\partial x}(\xi,f(\xi))= f'(\xi) für F(ξ,η)=0F(\xi,\eta)=0 invertierbar. Nach Satz 16KT gibt es eine offene ε\varepsilon-Umgebung Uε(η)U_\varepsilon(\eta), eine offene δ\delta-Umgebung Uδ(ξ)U_\delta(\xi) und genau eine stetige Funktion φ:Uε(η)Uδ(ξ)\varphi :U_\varepsilon(\eta)\rightarrow U_\delta(\xi) mit φ(η)=ξ\varphi(\eta) =\xi; F(φ(y),y)=f(φ(y))y=0 F(\varphi(y),y)=f(\varphi(y))-y=0. Wegen (ii) aus Satz 16KT können wir uns Uε(η)U_\varepsilon(\eta) so klein gewählt denken, dass φ\varphi auf Uε(η)U_\varepsilon(\eta) sogar stetig differenzierbar ist. Ferner gilt, da f:DRnf:D\rightarrow\R^n stetig ist, dass f1(Uε(η))f^{-1}(U_\varepsilon(\eta)) offen in Rn\R^n (Satz 16CG). Wir zeigen, dass für U:=Uδ(ξ)f1(Uε(η))U:=U_\delta(\xi)\cap f^{\me}(U_\varepsilon(\eta))={xUδ(ξ):f(x)Uε(η)} =\{x\in U_\delta (\xi):f(x)\in U_\varepsilon(\eta)\} (offen) gilt f(U)=Uε(η)f(U)=U_\varepsilon(\eta). Nach Satz 5212B ist f(U)=f(Uδ(ξ)f1(Uε(η)))f(U)=f(U_\delta(\xi)\cap f^{\me}(U_\varepsilon(\eta))) f(Uδ(ξ))f(f1(Uε(η))) \subseteq f(U_\delta(\xi)) \cap f(f^{\me}(U_\varepsilon(\eta))) f(f1(Uε(η)))\subseteq f(f^{\me}(U_\varepsilon(\eta))) Uε(η) \subseteq U_\varepsilon(\eta).
Sei yUε(η)y\in U_\varepsilon(\eta). Dann gilt: φ(y)Uδ(ξ)\varphi(y)\in U_\delta(\xi) und f(φ(y))=yUε(η)f(\varphi(y))=y\in U_\varepsilon(\eta). Also φ(y)Uδ(ξ)f1(Uε(η))=U\varphi(y)\in U_\delta(\xi)\cap f^{-1}(U_\varepsilon(\eta))=U, womit f(U)=Bε(η)f(U)= B_\varepsilon(\eta) gezeigt ist und ff also surjektiv ist. Injektivität: Seien x1,x2Ux_1,x_2\in U mit f(x1)=f(x2)=y f(x_1)=f(x_2)=yF(x1,y)=F(x2,y)=0 \Rightarrow F(x_1,y)= F(x_2,y)=0 x1=x2{\Rightarrow} x_1=x_2. (nach Satz 16KT)
Damit ist fU:uUε(η)f|_U:u\rightarrow U_\varepsilon(\eta) von UU auf Uε(η)U_\varepsilon(\eta) bijektiv und φ=fu1\varphi=f|_u^{-1} ist die stetig differenzierbare Umkehrabbildung von fUf|_U. Die Formel (fU1)(f(x))=f(x)1(f|_U^{-1})' (f(x))=f\, '(x)^{-1} folgt mit der Kettenregel: φ=fU1\varphi=f|_U^{-1}, φ(f(x))=x \varphi(f(x))=x, φ(f(x))=I \varphi'(f(x))=I (fU1)(f(x))=φ(f(x))f(x)=If(x)1 \Rightarrow (f|_U^{-1})'(f(x))=\varphi'(f(x))f'(x)=If'(x)^{-1} \qed

Bemerkung

Der Umkehrsatz ist eine "lokale" Aussage. Sogar die Existenz der Umkehrfunktion f(x)1 f(x)^{-1} einer stetig differenzierbaren Funktion f:RnDRn,f:\Rn \supset D\rightarrow\R^n, in allen Punkten des Definitionsbereichs DD ist nicht hinreichend für die Existenz einer "globalen" Inversen auf ganz DD

Beispiel

f:R2R2f:\R^2\rightarrow\R^2 mit f(x,y)=(excosyexsiny) f(x,y)=\begin{pmatrix} e^x\cos y\\e^x\sin y \end{pmatrix}. ff ist auf R2\R^2 stetig differenzierbar. f(x,y)=(excosyexsinyexsinyexcosy)f'(x,y)=\begin{pmatrix} e^x \cos y & -e^x \sin y\\ e^x \sin y & e^x \cos y \end{pmatrix} hat auf ganz R\R eine von Null verschiedene Determinante (ex\e^x) und es gilt f(x,y)1=(excosyexsinyexsinyexcosy) f'(x,y)^{-1}=\begin{pmatrix} e^{-x} \cos y & e^{-x}\sin y\\ -e^{-x}\sin y & e^{-x}\cos y \end{pmatrix}. Dennoch ist ff nicht global invertierbar auf R2\R^2, da ff in yy periodisch ist: f(x,y)=f(x,y+2kπ)f(x,y)=f(x,y+2k\pi) mit kZk\in\Z.

Satz 16KV

Sei f:DRnf:D\rightarrow\R^n mit DRnD\subset\R^n offen, stetig differenzierbar und es existiere f(x)1f\, '(x)^{-1} für jedes xDx\in D. Dann gilt:
  1. ff ist eine offene Abbildung, d.h. das Bild jeder offenen Teilmenge von DD ist offen im Rn\R^n.
  2. Die Funktion φ:DR,φ(x):=f(x)\varphi:D\rightarrow\R, \varphi(x):=||f(x)||, besitzt kein Maximum. Falls f(x)0f(x)\neq 0 in DD besitzt ff auch kein Minimum auf DD.
  3. Ist ff injektiv, so ist f1:f(D)Rf^{-1}:f(D)\rightarrow\R ebenfalls stetig differenzierbar.

Beweis

(i) Sei ADA\subset D offen in DD, also auch offen in Rn\R^n. Sei AA nicht leer (andernfalls A=f(A)=A=\emptyset\Rightarrow f(A)=\emptyset ist offen). Sei yf(A)y\in f(A) und xAx\in A mit f(x)=y f(x)=y. Da f(x)f\, '(x) invertierbar ist, folgt nach dem Umkehrsatz, dass eine offene Umgebung UAU\subset A existiert mit xUx\in U und f(U)f(A)f(U)\subset f(A) offen, d.h. f(A)f(A) ist offen.
(ii) Angenommen x0Dx_0\in D sei ein Maximum von φ\varphi, d.h. xD:f(x)f(x0)\forall x\in D:||f(x)||\leq ||f(x_0)||. Dann ist f(x0)>0f(x_0)>0. Denn wäre f(x0)=0f(x_0)=0, dann wäre f=0f=0 auf DD und ff\, ' wäre auf DD nirgends invertierbar. Nach dem Umkehrsatz existiert ein ϵ>0\epsilon>0: Uε(f(x0))f(D)U_\varepsilon(f(x_0))\subset f(D). Insbesondere gilt für ρ=ε2f(x0)\rho=\dfrac{\varepsilon}{2||f(x_0)||}, dass es ein x1Dx_1 \in D gibt mit y1=f(x1)=f(x0)+ρf(x0) y_1=f(x_1)=f(x_0)+\rho f(x_0)=(1+ρ)f(x0) =(1+\rho)f(x_0). Denn y1f(x0)=ρf(x0)=ε2<ε||y_1-f(x_0)||=\rho||f(x_0)||=\dfrac{\varepsilon}{2}<\varepsilon. Somit gilt f(x1)=(1+ρ)f(x0)>f(x0)||f(x_1)||=(1+\rho)||f(x_0)||>||f(x_0)|| Widerspruch.
(iii) f(D)f(D) ist nach (i) offen. Nach dem Umkehrsatz und da ff injektiv ist, folgt f1:f(D)Rnf^{-1}:f(D)\rightarrow\R^n ist stetig differenzierbar. \qed
 
 

Ein Mathematiker ist eine Maschine, die Kaffee in Theoreme verwandelt.

Paul Erdös

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