Die Binomialverteilung (manchmal nicht ganz korrekt auch Bernoulli-Verteilung genannt) ist eine der wichtigsten diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilungen.
Sie beschreibt den wahrscheinlichen Ausgang einer Folge von gleichartigen Versuchen, die jeweils nur zwei mögliche Ergebnisse haben, also die Ergebnisse von Bernoulli-Prozessen. Wenn das gewünschte Ergebnis eines Versuches die Wahrscheinlichkeitp besitzt, und die Zahl der Versuche n ist, dann gibt die Binomialverteilung an, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich insgesamt k Erfolge einstellen.
Die Binomialverteilung ist zur Beschreibung von Zufallsgrößen der folgenden Art geeignet:
Die Bestimmung der Anzahl einer bestimmten Eigenschaft in einer Stichprobe aus einer Menge von Elementen, wenn die Reihenfolge beim Entnehmen der Stichprobe aus der Gesamtmenge keine Rolle spielt, und die entnommenen Elemente wieder zurückgelegt werden (Ziehen mit Zurücklegen). Beispiel: Ein Korb enthält N Bälle, davon sind M schwarze und N−M weiße. Die Wahrscheinlichkeit, einen Schwarzen zu finden, ist also p=M/N. Es werden insgesamt n Bälle entnommen, untersucht und wieder zurückgelegt. Dabei werden k Schwarze identifiziert. Insgesamt gibt es Nn Möglichkeiten für die Auswahl der Bälle. In (kn)Mk(N−M)n−k Fällen davon werden k schwarze Bälle ausgewählt, d.h. die Wahrscheinlichkeit, unter n Bällen k Schwarze zu finden ist
Die Binomialverteilung ist dabei auch auf Probleme ohne Zurücklegen anwendbar. Diese Bedingung existiert in diesem Beispiel, damit die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg sich nicht ändert.
Die Bestimmung der Gesamtanzahl von defekten Bauteilen, die unter identischen Bedingungen hergestellt worden sind.
Die Abschätzung der zufälligen Anzahl von identischen Bauteilen, die in einem Zeitintervall ausfallen, wenn sie unter gleichen Randbedingungen verwendet werden.
Die Binomialverteilung bzw. der Bernoulliversuch kann mit Hilfe des Galtonbretts veranschaulicht werden. Dabei handelt es sich um eine mechanische Apparatur, in die man eine beliebige Zahl von Kugeln werfen kann. Diese fallen dann zufällig in eines von mehreren Fächern, wobei die Aufteilung der Binomialverteilung entspricht.
heißt die Binomialverteilung zu den Parametern n (Anzahl der Versuche) und p∈[0,1] (Trefferwahrscheinlichkeit).
Dabei wird nur den Zahlen 0,1…n eine Wahrscheinlichkeit ungleich Null zugeordnet. Die zur Trefferwahrscheinlichkeit p komplementäre Ausfallwahrscheinlichkeit 1−p wird häufig als q abgekürzt. Nach dem binomischen Lehrsatz gilt
oder alternativ mit der Summenregel für Erwartungswerte, wenn man berücksichtigt, dass die identischen Einzelprozesse der Bernoulli-Verteilung mit E=p genügen zu
E(X)=E(X1+…+Xn)=E(X1)+…+E(Xn)=nE(X1)=np.
Die Varianz bestimmt sich analog direkt aus dem Verschiebungssatz Var(X)=E(X2)−(E(X))2 zu
Var(X)=k=0∑nk2(kn)pk(1−p)n−k−n2p2=np(1−p)=npq
oder alternativ aus der Summenregel für die Varianz unabhängiger Zufallsvariablen, wenn man berücksichtigt, dass die identischen Einzelprozesse der Bernoulli-Verteilung mit Var(X)=p(1−p)=pq genügen zu
Die momenterzeugende Funktion der Binomialverteilung ist
mX(s)=(pes+(1−p))n.
Summe binomialverteilter Zufallsgrößen
Für die Summe Z=X+Y zweier unabhängige binomialverteilte Zufallsgrößen X und Y mit den Parametern n1,p und n2,p erhält man die Einzelwahrscheinlichkeiten
also wieder eine binomialverteilte Zufallsgröße, jedoch mit den Parametern n1+n2 und p.
Allgemein gilt: Wenn die mZufallsvariablenXi stochastisch unabhängig sind und den Binomialverteilungen B(ni,p)genügen, dann ist auch die Summe X1+X2+⋯+Xm binomialverteilt, jedoch mit den Parametern B(n1+n2+⋯+nm,p).
Beziehung zu anderen Verteilungen
Übergang zur Bernoulli-Verteilung
Die Summe von identischen Bernoulli-verteilten Zufallsgrößen genügt der Binomialverteilung.
Übergang zur Normalverteilung
Im Grenzfall n→∞ konvergiert die Binomialverteilung gegen eine Normalverteilung, d.h. die Normalverteilung kann als brauchbare Näherung der Binomialverteilung verwendet werden, wenn der Stichprobenumfang hinreichend groß und der Anteil der gesuchten Ausprägung nicht zu klein sind.
Es gilt: μ=np und σ2=npq. Durch Einsetzung in die Wahrscheinlichkeitsdichte der Normalverteilung folgt:
Wpn(k)≈2πnpq1⋅exp(−2npq(k−np)2)
Eine Faustregel besagt, dass diese Näherung brauchbar ist, sofern np>4 und nq>4, oder auch np(1−p)≥9. Je asymmetrischer die Binomialverteilung, umso größer muss n sein, bevor die Normalverteilung eine brauchbare Näherung liefert.
Übergang zur Poisson-Verteilung
Eine asymptotisch asymmetrische Binomialverteilung, deren Erwartungswertnp für große n→∞ und kleine p→0 gegen eine von n unabhängige Konstante λ konvergiert, kann man durch die Poisson-Verteilung annähern. Der Wert λ ist dann für alle in der Grenzwertbildung betrachteten Bimonialverteilungen wie auch für die resultierende Poissonverteilung der Erwartungswert. Diese Annäherung wird auch als Poissonscher Grenzwertsatz oder als das Gesetz seltener Ereignisse bezeichnet.
P(k)
=(kn)pk(1−p)n−k=(n−k)!k!n!(nλ)k(1−nλ)n−k
=nkn(n−1)(n−2)(n−3)…(n−k+1)k!λk(1−nλ)n−k
=(1−n1)(1−n2)…(1−nk−1)(1−nλ)n(1−nλ)−kk!λk
n→∞
=k!λklimn→∞(1−nλ)n=k!λke−λ
Eine Faustregel besagt, dass diese Näherung brauchbar ist, sofern np≤10 und n>1500p, gleichbedeutend mit n≥50 und p≤0,05.
Die Poisson-Verteilung ist also die Grenzverteilung der Binomialverteilung für große n und kleine p.
Beziehung zur negativen Binomialverteilung
Die negative Binomialverteilung hingegen beschreibt die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Anzahl der Versuche, die erforderlich sind, um in einem Bernoulli-Prozess eine vorgegebene Anzahl von Erfolgen zu erzielen. Die Zahl der Misserfolge bis zum erstmaligen Eintritt eines Erfolgs wird durch die geometrische Verteilung beschrieben.
Beziehung zur Hypergeometrischen-Verteilung
Bei der Binomialverteilung werden die ausgewählten Stichproben wieder zur Auswahlmenge zurückgeführt, können also zu einem späteren Zeitpunkt erneut ausgewählt werden. Werden im Gegensatz dazu die Stichproben nicht zur Grundgesamtheit zurückgegeben, dann kommt die Hypergeometrische Verteilung zur Anwendung. Beide gehen bei großem Umfang N der Grundgesamtheit und geringem Umfang n der Stichproben ineinander über. Als Daumenwert gilt, dass für n/N≤0,05 die Binomialverteilung der mathematisch anspruchsvolleren Hypergeometrischen Verteilung vorgezogen werden kann, da sie nur unwesentlich voneinander abweichende Ergebnisse liefen.
Beziehung zur Multinomial-Verteilung
Die Binomialverteilung ist ein Spezialfall sowohl der Multinomialverteilung als auch der Panjer-Verteilung.
Beispiele
Symmetrische Binomialverteilung (p gleich 1/2)
Dieses Bild zeigt die Binomialverteilung für p=0,5 und verschiedene Werte von n als Funktion von k:
Diese Funktion ist spiegelsymmetrisch um den Wert k=n/2:
B(k∣0,5,n)=B(n−k∣0,5,n),
wie die folgende Auftragung zeigt:
Die Breite der Verteilung wächst proportional zur Standardabweichungσ=(2n). Der Funktionswert bei k=n/2, also das Maximum der Kurve, sinkt proportional zu σ. Dementsprechend kann man Binomialverteilungen mit unterschiedlichem n aufeinander skalieren, indem man die Abszissek−n/2 durch σ teilt und die Ordinate mit σ multipliziert:
Das folgende Bild zeigt noch einmal reskalierte Binomialverteilungen, nun für andere Werte von n und in einer Auftragung, die besser verdeutlicht, dass sämtliche Funktionswerte mit steigendem n gegen eine gemeinsame Kurve konvergieren. Indem man die Stirling-Formel auf die Binomialkoeffizienten anwendet, erkennt man, dass diese Kurve (im Bild schwarz durchgezogen) eine Gaußsche Glockenkurve ist:
f(x)=(2π1)e2−x2.
Dies ist die Wahrscheinlichkeitsdichte zur Standard-Normalverteilung N(0,1). Im zentralen Grenzwertsatz wird dieser Befund so verallgemeinert, dass auch Folgen anderer diskreter Wahrscheinlichkeitsverteilungen gegen die Normalverteilung konvergieren.
Und hier die gleichen Daten in einer halblogarithmischen Auftragung, die sehr zu empfehlen ist, wenn man überprüfen möchte, ob auch seltene Ereignisse, die um mehrere Standardabweichungen vom Erwartungswert abweichen, einer Binomial- oder Normalverteilung folgen:
Allgemeiner Fall (p ∈ [0,1])
In der Übersicht sieht man sehr gut die Auswirkung von p auf das Maximum in Bezug auf die Bedingung das ∫b(x∣p)dx=const
Ziehen von Kugeln
In einem Behälter befinden sich 80 Kugeln, davon sind 16 gelb. Es wird 5-mal eine Kugel entnommen und anschließend wieder zurückgelegt. Wegen des Zurücklegens ist die Wahrscheinlichkeit, eine gelbe Kugel zu ziehen, bei allen Entnahmen gleich groß: 16/80 = 1/5 = 0,2. Die Verteilung B(k|0,2; 5) gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass genau k der entnommenen Kugeln gelb sind.
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person in diesem Jahr an einem Wochenende Geburtstag hat, beträgt 2/7. In einem Raum halten sich 10 Personen auf (Darunter sind keine Zwillinge). Die Verteilung B(k|2/7; 10) gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass genau k der Anwesenden in diesem Jahr an einem Wochenende Geburtstag haben.
253 Personen sind zusammen gekommen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass niemand der Anwesenden an einem zufällig ausgewählten Tag Geburtstag hat?
Die Wahrscheinlichkeit eines Einzelereignisses beträgt 1/365≈0,003, die Zahl der Versuche 253. Die direkte Berechnung der Binominalverteilung ist aufgrund der großen Fakultäten schwierig. Eine Näherung über die Poisson-Verteilung ist zulässig (n>50, p<0,05).
k(0): 0,49
k(1): 0,35
k(2): 0,12
k(3): 0,03
k(4): 0,01
Die Wahrscheinlichkeit, dass an einem ausgewählten Tag niemand Geburtstag hat, beträgt fast 50%. Die andere Hälfte der Personen hat allein Geburtstag (35%) oder teilt ihn mit einer (12%) oder zwei (3%) weiteren Personen.
Das Ergebnis sieht völlig anders aus, wenn nicht nach der Geburtstagswahrscheinlichkeit an einem Tag im Jahr gefragt wird, sondern nach der Wahrscheinlichkeit gemeinsamer Geburtstage. Statt 365 Tagen steht nur noch eine Anzahl unterschiedlicher Tage zur Verfügung, die höchstens der Zahl der Personen entspricht, siehe Geburtstagsproblem.
Anmerkung: Rechnet man mit 364/365 anstatt mit dem gerundeten Wert 0,003, so ergibt sich für k=0 (keiner der 235 Personen im Raum hat Geburtstag) eine Abweichung der Wahrscheinlichkeit um 3% ( P(k=0)=52%)
Konfidenzintervall für eine Wahrscheinlichkeit
In einer Meinungsumfrage unter n Personen geben k Personen an, die Partei A zu wählen. Bestimme ein 95% -Konfindenzintervall. Eine Lösung des Problems ohne Rückgriff auf die Normalverteilung findet sich im Artikel Konfidenzintervall einer unbekannten Wahrscheinlichkeit.
Auslastungsmodell
Mittels folgender Formel lässt sich die Wahrscheinlichkeit dafür errechnen, dass k von n Personen eine Tätigkeit, die durchschnittlich m Minuten pro Stunde dauert, gleichzeitig ausführen.
P(X=k)=(k60)⋅(60m)k⋅(1−60m)n−k
Zufallszahlen
Zufallszahlen zur Binomialverteilung werden üblicherweise mit Hilfe der Inversionsmethode erzeugt.