Unter Dualität von Lp-Räumen, kurz Lp-Dualität, versteht man eine Reihe von Sätzen der Funktionalanalysis, die sich mit den Dualräumen von Lp-Räumen beschäftigen, wobei 1≤p<∞ eine reelle Zahl ist. Die wesentliche Aussage lautet, dass Dualräume von Lp-Räumen wieder von dieser Art sind, nämlich Lq-Räume, wobei die Kehrwerte von p und q in der Summe 1 ergeben, das heißt, in einprägsamer Form gilt (Lp)′≅Lq.
Der Fall p > 1
Es sei q der sogenannte zu p konjugierte Exponent, das heißt diejenige Zahl 1<q<∞, für die p1+q1=1 gilt. Dies ist äquivalent mit q=p−1p. Ist weiter (X,A,μ) ein Maßraum, dann kann man die BanachräumeLp(X,A,μ) und Lq(X,A,μ) über dem Körper K bilden, wobei K für R oder C steht. Wie üblich werden fast überall übereinstimmende Funktionen ohne weitere Hinweise identifiziert, um eine umständliche Sprech- und Schreibwiese über Äquivalenzklassen von Funktionen zu vermeiden. Nach der Hölderschen Ungleichung gilt
∣∣∣∣X∫f(x)g(x)dμ(x)∣∣∣∣≤∥f∥p∥g∥q
für alle f∈Lp(X,A,μ),g∈Lq(X,A,μ),
wobei ∥⋅∥p die Norm auf dem Lp-Raum bezeichnet und entsprechend ∥⋅∥q. Diese Abschätzung zeigt, dass
Tg:Lp(X,A,μ)→K,f↦X∫fgdμ
ein beschränktes lineares Funktional auf Lp(X,A,μ), also ein Element des DualraumsLp(X,A,μ)′ ist, mit ∥Tg∥≤∥g∥q. Mit Hilfe des Satzes von Radon-Nikodým kann man zeigen, dass jedes beschränkte lineare Funktional auf Lp(X,A,μ) von dieser Form ist und dass für die Normen sogar Gleichheit gilt. Man hat daher folgenden Satz [1][2]:
Genau dieser Isomorphismus ist gemeint, wenn man kurz Lp(X,A,μ)′≅Lq(X,A,μ) schreibt.
Da p und q ja in einer symmetrischen Beziehung zueinander stehen, ergibt sich aus diesem Satz sofort
Lp(X,A,μ)′′≅Lq(X,A,μ)′≅Lp(X,A,μ).
Verwendet man die im Satz angegebenen Isomorphismen, so erkennt man, dass es sich hier um die kanonische Einbettung von Lp(X,A,μ) in seinen Bidualraum handelt. Die Lp-Räume sind also reflexiv.
Ein sehr einfacher Spezialfall sind die Folgenräume ℓp, die man erhält, wenn man X=N und für μ das Zählmaß nimmt. Die Elemente aus ℓp werden als Folgen(an)n geschrieben, wobei eine solche Folge natürlich für die Lp-Funktion N→K,n↦an steht. Für die Dualität zwischen ℓp und ℓq erhält man an Stelle obiger Integrale eine Summe:
Tb((an)n)=n=1∑∞anbn für alle (an)n∈ℓp und b=(bn)n∈ℓq.
Diese Aussage kann natürlich auch ohne maßtheoretischen Aufwand bewiesen werden.
Der Fall p = 1
Ein entsprechender Satz über den Dualraum von L1-Räumen gilt nicht in voller Allgemeinheit. Bildet man den zu 1 konjugierten Exponenten, so muss man q=∞ nehmen. H. Steinhaus konnte 1919 in der Tat
L1([0,1])′≅L∞([0,1])
zeigen, wobei die isometrische Isomorphie durch den zum oben definierten Operator T analogen Operator vermittelt wird.[3]. Die zusätzliche Schwierigkeit besteht letztlich darin, dass die auftretenden Räume, von trivialen Ausnahmen abgesehen, nicht mehr reflexiv sind. Es lässt sich aber noch folgender Satz zeigen [4][5]:
Auf die zusätzliche Voraussetzung der σ-Endlichkeit des Maßraums kann nicht verzichtet werden. Betrachtet man zum Beispiel auf X=R die σ-Algebra A derjenigen Mengen, die abzählbar sind oder deren Komplement abzählbar ist, und als Maßμ das Zählmaß, so ist L1(R,A,μ) der Raum aller Funktionenf:R→K, die höchstens an abzählbar vielen Stellen von null verschieden sind und für die x∈R∑∣f(x)∣<∞ gilt. Offenbar ist durch f↦x≥0∑f(x) ein beschränktes lineares Funktional auf L1(R,A,μ) definiert. Wäre dieses von der Form Tg für ein g∈L∞(R,A,μ), so müsste g konstant gleich 1 auf [0,∞) und konstant gleich 0 auf (−∞,0) sein. Eine solche Funktion ist aber nicht A-messbar. Daher kann in diesem Beispiel die im Satz beschriebene Isomorphie nicht bestehen.
Es gibt aber eine wichtige Situation, die auch gewisse nicht-σ-endliche Mäßräume umfasst, in der man dennoch zu einem befriedigendem Resultat kommt, nämlich die der lokalkompakten Gruppen. In der harmonischen Analyse ist folgender Satz wichtig[6]:
Es seien G eine lokalkompakte Gruppe, B die Borelsche σ-Algebra auf G und μ ein reguläres Borelmaß auf G. Dann ist
μ(B)=inf{μ(U);B⊂U⊂G,U offen} für alle BorelmengenB∈B.
Der Satz gilt also insbesondere auch für das Haarsche Maß auf G, das heißt, man kann den Dualraum der Gruppenalgebra L1(G) auch für nicht-σ-endliche Gruppen durch obigen Satz beschreiben.
Banachraum-wertige Lp-Funktionen
Ist neben dem Maßraum(X,A,μ) noch ein BanachraumE gegeben, so kann man den Raum Lp(X,A,μ,E) aller A-messbaren Funktionenf:X→E, für die das IntegralX∫∥f(x)∥pdμ(x)endlich ist, bilden, wobei wie üblich fast überall übereinstimmende Funktionen identifiziert werden (siehe auch Bochner-Integral). Die Norm
∥f∥p:=(X∫∥f(x)∥pdμ(x))p1
macht Lp(X,A,μ,E) zu einem Banachraum. Sind nun f∈Lp(X,A,μ,E) und g∈Lq(X,A,μ,E′), so kann man
Dies ist nichts anderes als der Raum Lp(N,P(N),μw), wobei das Maßμw durch μw({n})=wn definiert ist. Wendet man darauf obigen Satz über die Lp-Dualität an, erhält man einen isometrischen Isomorphismus
In der Theorie der Folgenräume betrachtet man aber lieber eine durch den Ausdruck n∈N∑anbn gegebene Dualität, das heißt, man möchte die Faktoren wnp vermeiden. Dazu muss man von der Folge(bn)n∈ℓq(w) zur Folge(bnwnp)n übergehen. Da p−pq=−q, gilt
Dieser isometrische Isomorphismus ist gemeint, wenn man
ℓp(w)′≅ℓq(w1)
schreibt. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass dieser nicht der isometrische Isomorphismus aus dem allgemeinen Satz über Lp-Dualität ist, außer natürlich, wenn alle Gewichte gleich 1 sind.
1Donald L. Cohn: Measure Theory. Birkhäuser, Boston 1980, ISBN 3-7643-3003-1, Theorem 4.5.17
2Dunford, Schwartz: Linear Operators, Part I, General Theory. ISBN 0-471-60848-3, Kapitel IV.8, Theorem 1