Sei (an) eine Folge und x0∈R. Eine Reihe der Form
n=0∑∞an(x−x0)n=a0+a1(x−x0)+a2(x−x0)2+⋯
heißt Potenzreihe. Sei cn:=n∣an∣ für n∈N; wir setzen dann
r:=⎩⎪⎪⎨⎪⎪⎧0∞limsupcn1falls (cn) unbeschra¨nktfalls cn→0falls cn beschra¨nkt und limsupcn>0
Dann heißt rKonvergenzradius der Potenzreihe. Im folgenden beschränken wir uns auf Potenzreihen der Form
n=0∑∞anxn
d.h. solche Potenzreihen, bei denen x0=0. Der allgemeine Fall x0∈R lässt sich immer durch die Transformation y=x−x0 auf diesen Spezialfall zurückführen.
Satz 16M5 (Konvergenz von Potenzreihen und Konvergenzradius)
Sei n=0∑∞anxn eine Potenzreihe mit dem Konvergenzradiusr. Dann gilt:
Ist r=0, so konvergiert die Potenzreihe nur für x=0.
Ist r=∞, so konvergiert die Potenzreihe für jedes x∈R.
Ist r∈]0,∞[, so konvergiert die Potenzreiheabsolut für ∣x∣<r und sie divergiert für ∣x∣>r. Für ∣x∣=r ist keine allgemeine Aussage möglich.
Beweis
Sei x∈R und cn:=n∣an∣ sowie bn:=anxn (n∈N). Dann gilt: n∣bn∣=(∣an∣⋅∣xn∣)n1=n∣an∣⋅∣x∣=cn⋅∣x∣. (i) Sei r=0⇒(cn) ist unbeschränkt ⇒n∣bn∣ ist unbeschränkt für x=/0⇒∑bn divergiert für x=/0 (nach dem Wurzelkriterium) Also konvergiert ∑bn nur für x=0.
(ii) Sei r=∞⇒cn→0⇒n∣bn∣→0 für jedes x∈R. ⇒limsupn∣bn∣=0 (nach Satz 16M1) ⇒∑bn konvergiert nach dem Wurzelkriteriumabsolut für jedes x∈R. (ii) Sei r∈]0,∞[ und δ:=limsupcn, also r=δ1. Dann gilt:
Es ist an=n!1, also n∣an∣=nn!1⇒n→∞lim(nn!)−1=0. Also: r=∞.
Geometrische Reihe
Die geometrische Reihen=0∑∞xn konvergiert absolut für ∣x∣<1 und divergiert für ∣x∣≥1. Mit an=1 ist ihr Konvergenzradiusr=1, denn limsupn∣an∣=1.
Beispiel
Für die Potenzreihen=1∑∞nxn ist a0=0 und an=n−1. n∣an∣=nn1→1 (Beispiel 16M6) ⇒limsupnn1=1⇒Konvergenzradiusr=11=1. Die Potenzreihe konvergiert also für ∣x∣<1 und divergiert für ∣x∣>1. Für ∣x∣=1 gilt: 1.Fall: x=1: Die harmonische Reihe∑n1 divergiert ⇒ die Potenzreihe divergiert. 2. Fall x=−1:Die alternierende harmonische Reihe∑n(−1)n konvergiert.. ⇒ die Potenzreihe konvergiert (jedoch nicht absolut).
Beispiel
Für die Potenzreihen=1∑∞n2xn ist a0=0 und an=n21. n∣an∣=(nn)21→1 also limsupnan=1⇒Konvergenzradiusr=11=1 Die Potenzreihe konvergiert also absolut für ∣x∣<1 und divergiert für ∣x∣>1. Für ∣x∣=1 gilt 1. Fall x=1: ∑n21 konvergiert absolut⇒ die Potenzreihe konvergiert absolut. 2. Fall x=−1: ∑n2(−1)n konvergiert absolut⇒ die Potenzreihe konvergiert absolut.
Beispiel
Für n=0∑∞nnxn ist: an=nn. cn:=n∣an∣=n⇒(cn) ist unbeschränkt ⇒Konvergenzradiusr=0. Die Potenzreihe konvergiert also nur für x=0.
Beispiel
n=0∑∞anxn mit an=⎩⎨⎧2nn,n3n1,n geraden ungerade. cn:=n∣an∣=⎩⎪⎨⎪⎧2nn,3nn1,n geraden ungerade⇒Häufungspunkte von cn sind {31,21}, also limsupcn=21⇒Konvergenzradiusr=2. Die Potenzreihe konvergiert absolut für ∣x∣<2 und divergiert für ∣x∣>2. Ist ∣x∣=2, so gilt für gerades n: ∣anxn∣=2nn∣x∣n=n⇒anxn ist keine Nullfolge⇒∑anxn divergiert für ∣x∣=2. Die Beispiele zeigen auch, dass für ∣x∣=1 ist keine allgemeine Aussage möglich ist.
Satz 16M8 (Quotientenkriterium für Potenzreihen)
Sind fast alle an¬=0 und existiert L:=n→∞lim∣∣∣∣an+1an∣∣∣∣, so gilt für den Konvergenzradiusr der Potenzreihen=0∑∞an(x−x0)n:
r=L
Beweis
Wir setzen bn:=an(x−x0)n; dann gilt für x¬=x0:
∣∣∣∣bnbn+1∣∣∣∣=∣∣∣∣anan+1∣∣∣∣⋅∣x−x0∣
1. Fall: L=0: ⇒(∣∣∣∣bnbn+1∣∣∣∣) ist unbeschränkt. ⇒∑bn=∑an(x−x0)n ist divergent. ⇒∑an(x−x0)n konvergiert nur für x=x0. ⇒r=0. 2. Fall L>0: ⇒limn→∞∣∣∣∣bnbn+1∣∣∣∣=limn→∞∣∣∣∣anan+1∣∣∣∣⋅∣x−x0∣=L1∣x−x0∣⇒∑bn=∑an(x−x0)n ist konvergent, falls L1∣x−x0∣<1, und ist divergent für L1∣x−x0∣>1 (Quotientenkriterium). Also konvergent für ∣x−x0∣<L und divergent für ∣x−x0∣>L⇒r=L□
Satz 16M9 (Produkt von Potenzreihen)
n=0∑∞an(x−x0)n und n=0∑∞bn(x−x0)n seien zwei Potenzreihen mit Konvergenzradien r1 bzw r2. Wir setzen: