Gauß-Newton-Verfahren

Das Gauß-Newton-Verfahren (nach Carl Friedrich Gauß und Isaac Newton) ist ein numerisches Verfahren zur Lösung nichtlinearer Minimierungsprobleme, die durch Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate auf nichtlineare Ausgleichsprobleme entstehen. Wie beim Newton-Verfahren wird die Funktion in jedem Schritt durch eine lineare Näherung ersetzt. Das dabei entstehende lineare Ausgleichsproblem kann mit Standardverfahren gelöst werden.
 
 

Grundzüge des Verfahrens

Im folgenden wird angenommen, dass Daten mit folgenden Merkmalen vorliegen:
  • Die Tabelle der Messwerte hat kk Zeilen, es wurden also kk Messungen durchgeführt
  • Bei jeder Messung wurden nn Stellgrößen x1,,xn \, x_1, \dots , x_n vorgegeben und das Ergebnis yy gemessen
  • Es gibt eine Modellfunktion f(x1,,xn)=y \, f(x_1, \dots , x_n) = y , welche den Zusammenhang zwischen x1,,xn \, x_1, \dots , x_n und yy beschreibt. Diese Funktion hat pp verschiedene Parameter a1,,ap \, a_1, \dots , a_p , die nun so berechnet werden sollen, dass mit der Funktion y möglichst genau aus den x1,,xn \, x_1, \dots , x_n berechnet werden kann. Das besondere an der Funktion ist, dass sie nichtlinear in den Parametern ist.
Es ist dabei nicht notwendig, dass die Anzahl pp der Parameter aa gleich der Anzahl der Variablen xx ist. Sucht man z.B. die Koeffizienten eines kubischen Polynoms, so liegt nur ein xx je Datensatz vor, aber beim kubischen Polynom hat jede Potenz einen eigenen Koeffizienten aa, so dass (einschließlich des absoluten Gliedes) vier Koeffizienten zu bestimmen wären.
Wenn die Messungen als Tabelle vorliegen, können sie so dargestellt werden:
x1 \mathbf{x_1} x2 \mathbf{x_2} \cdots xn \mathbf{x_n} y \mathbf{y}
x1,1 \, x_{1,1} x1,2 \, x_{1,2} \cdots x1,n \, x_{1,n} y1 \, y_1
x2,1 \, x_{2,1} x2,2 \, x_{2,2} \cdots x2,n \, x_{2,n} y2 \, y_2
\vdots \vdots \cdots \vdots \vdots
xk,1 \, x_{k,1} xk,2 \, x_{k,2} \cdots xk,n \, x_{k,n} yk \, y_k
Der Ansatz, die Summe der Fehlerquadrate zu minimieren, liefert:
i=1k(f(xi,1,,xi,n)yi)2min! \sum\limits_{i=1}^k (f(x_{i,1}, \dots , x_{i,n}) - y_i)^2 \rightarrow min!

Algorithmus

Zur Bestimmung der Parameter a1,a2,,ap \, a_1, a_2, \dots , a_p geht man nach diesem Schema vor:

Vorbereitung

  • Gegeben ist die Funktion f(x1,,xn)=y \, f(x_1, \dots , x_n) = y mit n Variablen x1,,xn x_1, \dots , x_n \, und p gesuchten Parametern a1,,ap a_1, \dots , a_p \,
  • Aufstellen der Residuumsfunktion r\, r und des Residuenvektors r\mathbf{r}
r=f(x1,,xn)y\, r = f(x_1, \dots , x_n) - y
ri=f(xi,1,,xi,n)yi,i=1k r_i = f(x_{i,1}, \dots , x_{i,n}) - y_i, i=1\, \, k \,
  • Berechnung der partiellen Ableitungen der Residuumsfunktion r\, r nach jedem Parameter (a1,,ap)( a_1, \dots , a_p \, ):
r1=ra1;r2=ra2;;rp=rap r'_1 = \dfrac{\partial r}{\partial a_1}; \quad r'_2 = \dfrac{\partial r}{\partial a_2}; \quad \dots ; \quad r'_p = \dfrac{\partial r}{\partial a_p}
ri,j=rj(xi,1,,xi,n)\, r'_{i,j} = r'_j(x_{i,1}, \dots , x_{i,n})
  • Aufbau der Matrizen für die Iteration:
D=(r1,1r1,2r1,pr2,1r2,2r2,prk,1rk,2rk,p) \mathbf{D} = \begin{pmatrix} r'_{1,1} & r'_{1,2} & \cdots & r'_{1,p} \\ r'_{2,1} & r'_{2,2} & \cdots & r'_{2,p} \\ \vdots & \vdots & \vdots & \vdots \\ r'_{k,1} & r'_{k,2} & \cdots & r'_{k,p} \end{pmatrix}; r=(r1r2rk) \mathbf{r} = \begin{pmatrix} r_1 \\ r_2 \\ \vdots \\ r_k \end{pmatrix}; a=(a1a2ap) \mathbf{a} = \begin{pmatrix} a_1 \\ a_2 \\ \vdots \\ a_p \end{pmatrix}
Für den Aufbau der Matrizen ist folgendes zu beachten:
  • Die Matrix D\bm{D} und der Spaltenvektor r\bm{r} haben kk Zeilen, also für jede Zeile der oben angegebenen Tabelle eine.
  • Der Spaltenvektor a\bm{a} hat pp Zeilen, also für jeden Parameter a1,,ap a_1, \dots , a_p \, eine
  • Die Spalten in der Matrix D\bm{D} sind die partiellen Ableitungen nach den Parametern a1,,ap a_1, \dots , a_p \, . Die Reihenfolge der Spalten in D\bm{D} hängt mit der Reihenfolge der Parameter in a\bm{a} zusammen. Steht in Zeile 1 von a\bm{a} der Parameter a1 a_1 \, , so muss in D\bm{D} die erste Spalte die Ableitungen nach a1 a_1 \, enthalten. Dementsprechend hat D\bm{D} pp Spalten, also für jeden Parameter a1,,ap a_1, \dots , a_p \, eine.
  • Die Anzahl der Variablen n hat keinen Einfluss auf den Aufbau der Matrix D\bm{D} und der beiden Vektoren r,a\bm{r},\, \bm{a}.
  • Zu Beginn der Iteration müssen Startwerte für die Parameter a1,a2,,ap a_1, a_2, \dots , a_p \, festgelegt werden

Iteration

  • Die Iteration wird mit folgender Matrixgleichung durchgeführt:
ai+1=ai(DTD)1DTr \mathbf{a}_{i+1} = \mathbf{a}_i - (\mathbf{D}^T \cdot \mathbf{D})^{-1} \cdot \mathbf{D}^T \cdot \mathbf{r}
Dabei wird in jedem Schritt der Vektor ai \mathbf{a}_i , der die Parameter a1,a2,,ap a_1, a_2, \dots , a_p \, enthält, verbessert.
Die Matrix D\bm{D} wird berechnet, indem man zunächst alle Werte in den kk Zeilen der Tabelle in die Funktion r1 r'_1 \, einsetzt. Das Ergebnis schreibt man untereinander in die Spalte 1 von D\bm{D}. Danach setzt man alle Werte in den kk Zeilen der Tabelle in die Funktion r2 r'_2 \, ein und schreibt sie in Spalte 2 der Matrix D\bm{D} usw.
Um den Vektor r\bm{r} zu berechnen, setzt man alle Werte in den kk Zeilen der Tabelle in die Funktion ri r_i \, und schreibt die Ergebnisse jeweils untereinander als Vektor r\bm{r} auf.
Für die numerische Berechnung empfiehlt sich eine Aufspaltung der Berechnung, damit die Matrixinversion durch die Lösung eines linearen Gleichungssystems für den unbekannten Lösungsvektor s\bm{s} ersetzt werden kann:
(DTD)s=DTr;ai+1=ais (\mathbf{D}^T \cdot \mathbf{D}) \cdot \mathbf{s} = \mathbf{D}^T \cdot \mathbf{r}; \qquad \mathbf{a}_{i+1} = \mathbf{a}_i - \mathbf{s}
Die Vorteile liegen in einer schnelleren Berechnung bei höherer Genauigkeit.
  • Sobald ai+1 \mathbf{a}_{i+1} berechnet wurde, müssen auch Matrizen neu berechnet werden, um den nächsten Iterationsschritt vorzubereiten. Um den Rechenaufwand zu verringern, kann auch mehrfach ohne Neuberechnung von s\bm{s} iteriert werden. Dieses Vorgehen wird beim Newtonschen Verfahren häufig empfohlen, reduziert aber die Konvergenzgeschwindigkeit und sollte erst angewendet werden, wenn sich a\bm{a} nur noch wenig ändert.
  • Die Iteration wird abgebrochen, falls ai+1=ai \mathbf{a}_{i+1} = \mathbf{a}_i , also bei den a1,a2,,ap a_1, a_2, \dots , a_p \, keine Änderung mehr eintritt.

Anmerkungen

  • Da DTD \mathbf{D}^T \cdot \mathbf{D} symmetrisch und positiv definit ist, eignet sich die Cholesky-Zerlegung besonders gut für die Auflösung des Gleichungssystems.
  • Die Anzahl der Zeilen in der Tabelle (kk) muss stets größer, als die Anzahl der Parameter a1,a2,,ap a_1, a_2, \dots , a_p \, sein. Falls die Anzahl der Paramater gleich kk ist, bestimmt das Verfahren die Parameter exakt (im Rahmen der Genauigkeit der Iteration), es ist also nicht nur die optimale Lösung im Sinne der Fehlerquadrate. Das System ist unterbestimmt, wenn die Anzahl der Parameter größer als kk ist.
  • Durch Einführung eines Schrittweiteparameters γ \gamma lässt sich ein Abstieg, d.h. die Verringerung der Fehlerquadratsumme erreichen.

Literatur

  • Ralf Pfeifer: Effektive Messauswertung mit der Gauß'schen Fehlerquadratmethode, ISBN 3-89001-251-5

Ein Mathematiker ist eine Maschine, die Kaffee in Theoreme verwandelt.

Paul Erdös

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