Sigma-Algebren

Sei Ω\Omega\neq\emptyset eine Menge, P(Ω)\Pow (\Omega) die Potenzmenge und FP(Ω)\mathcal{F}\subseteq\Pow(\Omega) ein Mengensystem.

Definition

F\mathcal{F} heißt Algebra, wenn folgende Eigenschaften gelten:
F\emptyset\in\mathcal{F}(1)
AFAcFA\in\mathcal{F}\Rightarrow A^c\in\mathcal{F}(2)
A,BFABFA,B\in\mathcal{F}\Rightarrow A\cup B\in\mathcal{F}(3)
F\mathcal{F} heißt σ\sigma-Algebra, wenn die Punkte (1) und (2) gelten und zusätzlich
A1,A2,FAkFA_1, A_2, \ldots\in\mathcal{F} \Rightarrow \bigcup\limits A_k\in\mathcal{F}(4)
gilt.
Algebren sind bezüglich der endlichen Vereinigung abgeschlossene Mengensysteme und σ\sigma-Algebren sind bezüglich der abzählbaren Vereinigung abgeschlossene Mengensysteme. Wegen (1) und (2) gilt stets ΩF\Omega\in\mathcal{F}.

Satz 16KW

Jede σ\sigma-Algebra ist eine Algebra.

Beweis

Zum Beweis genügt es zu zeigen, dass eine beliebige σ\sigma-Algebra F\mathcal{F} den Punkt (3) der Definition erfüllt. Es gelten die Eigenschaften (1), (2) und (4). Man setzt nun A1=AA_1=A und A2=B A_2=B sowie An=A_n=\emptyset für (n=3,4,) (n=3,4,\ldots). Dann gilt nach (4) AkF\bigcup\limits A_k\in\mathcal{F} und damit ABFA\cup B\in\mathcal{F}. \qed

Bemerkungen

Jede endliche Algebra ist eine σ\sigma-Algebra.
Jede σ\sigma-Algebra ist bezüglich der (symmetrischen) Differenz abgeschlossen. (Begründung: AB=(AcB)cA\setminus B=(A^c\cup B)^c und Definition der symmetrischen Differenz)

Die Umkehrung von Satz 16KW ist in der Regel falsch, d.h. es gibt Algebren, die keine σ\sigma-Algebra sind. Das klassiche Beispiel hierfür ist:
Ω=N\Omega=\N mit F:={ANAAc \mathcal{F}:=\{A\subseteq\N| A\vee A^c endlich } \}

Begründung

(1) ist klar.
Zu (2): Sei AFA\in\mathcal{F}, dann ist zu zeigen, dass AcFA^c\in\mathcal{F} oder (Ac)c(A^c)^c endlich ist. Falls AcA^c endlich, ist nichts weiter zu zeigen. Wenn AA endlich ist, dann ist wegen (Ac)c=A(A^c)^c=A das Komplement von AA Komplement einer endlichen Menge und daher in F\mathcal{F}.
Zu (3): Für A,BFA,B\in\mathcal{F} ist zu zeigen, dass (AB)(A\cup B) endlich oder (AB)cF(A\cup B)^c\in\mathcal{F} endlich sind.
1. Fall: A,BA,B endlich AB\Rightarrow A\cup B endlich.
2. Fall: Ac,BcA^c, B^c endlich (AB)c\Rightarrow (A\cup B)^ {c} =AcBcF=A^c\cap B^c\in \mathcal{F}, da AcBcA^c\cap B^c endlich.
3. Fall: A,BcA,B^c endlich (AB)c\Rightarrow (A\cup B)^ {c} =AcBcF=A^c\cap B^c\in \mathcal{F}, da AcBcA^c\cap B^c endlich wegen BcB^c endlich.
4. Fall: analog zum 3. Fall.
Die Eigenschaft (4) gilt nicht. Sei A1={2}A_1=\{2\}; A2={4}A_2=\{4\}; ... An={2n}A_n=\{2n\}. Die Vereinigung An \bigcup\limits A_n ist die Menge der geraden natürlichen Zahlen. Diese ist nicht endlich und auch ihr Komplement (die ungeraden natürlichen Zahlen) sind nicht endlich.

Satz 16KX

Sei F\mathcal{F} eine Algebra. Für alle Folgen A1,,AnF(nN)A_1,\ldots,A_n\in\mathcal{F} (n\in\N) gelten:
  1. k=1nAkF\bigcup\limits_{k=1}^n A_k\in\mathcal{F}
  2. k=1nAkF\bigcap\limits_{k=1}^n A_k\in\mathcal{F}

Beweis

(i) Vollständige Induktion führt auf die Behauptung.
(ii) A1,,AnFA_1,\ldots,A_n\in\mathcal{F}A1c,,AncF \Rightarrow A_1^c,\ldots,A_n^c\in\mathcal{F} k=1nAkcF \Rightarrow \bigcup\limits_{k=1}^n A_k^c\in\mathcal{F}     (k=1nAk)ck=1nAkF\implies \left(\bigcap\limits_{k=1}^n A_k\right)^c \Rightarrow \bigcap\limits_{k=1}^n A_k\in\mathcal{F}. \qed

Beispiele

Die "kleinste" Algebra bzw. σ\sigma-Algebra ist F={,Ω}\mathcal{F}=\{\emptyset, \Omega\}. Die "größte" σ\sigma-Algebra ist die Potenzmenge F=P(Ω)\mathcal{F}=\Pow(\Omega). Sei AΩ\emptyset\subset A\subset\Omega Dann ist F={,Ω,A,Ac} \mathcal{F}=\{\emptyset, \Omega, A, A^c\} eine Algebra bzw. σ\sigma-Algebra.

Satz 16KY

Sei (Fi)iI(\mathcal{F}_i)_{i\in I} eine Familie von σ\sigma-Algebren. Dann ist der Durchschnitt iIFi\bigcap\limits_{i\in I} \mathcal{F}_i eine σ\sigma-Algebra.

Beweis

Es ist iIFiP(Ω)\bigcap\limits_{i\in I}\mathcal{F}_i\subseteq\Pow(\Omega). Für Fi\mathcal{F}_i gilt, dass Fi\emptyset\in\mathcal{F}_i iIFi \Rightarrow \emptyset\in\bigcap\limits_{i\in I} \mathcal{F}_i Sei AiIFiA\in\bigcap\limits_{i\in I}\mathcal{F}_i. Es ist zu zeigen, dass AciIFiA^c\in\bigcap\limits_{i\in I}\mathcal{F}_i. AFiA\in\mathcal{F}_iAcFi \Rightarrow A^c\in\mathcal{F}_iAciIFi \Rightarrow A^c\in\bigcap\limits_{i\in I} \mathcal{F}_i. Seien A1,A2,iIFiA_1,A_2,\ldots\in\bigcap\limits_{i\in I}\mathcal{F}_i AkFi \Rightarrow A_k\in\mathcal{F}_i für k=1,2,k=1,2,\ldots und beliebiges ii k=1AkFi \Rightarrow \bigcup\limits_{k=1}^\infty A_k \in\mathcal{F}_i k=1AkiIFi \Rightarrow \bigcup\limits_{k=1}^\infty A_k\in\bigcap\limits_{i\in I} \mathcal{F}_i. \qed

Definition

Sei EP(Ω)\mathfrak{E}\subseteq\Pow(\Omega) und F\mathcal{F} eine σ\sigma-Algebra.
σ(E):=EFF\sigma(\mathfrak{E}):=\bigcap\limits_{\mathfrak{E}\subseteq\mathcal{F}} \mathcal{F}
heißt die von E\mathfrak{E} erzeugte σ\sigma-Algebra. Gilt für eine σ\sigma-Algebra B\mathcal{B} die Beziehung
B=σ(E)\mathcal{B}=\sigma(\mathfrak{E})
so heißt E\mathfrak{E} Erzeugendensystem von B\mathcal{B}.
Aus Satz 16KY folgt, dass σ(E)\sigma(\mathfrak{E}) eine σ\sigma-Algebra ist. Die gleiche Konstruktion ist auch für Algebren möglich.

Beispiele

σ({})={,Ω} \sigma(\{\emptyset\})=\{\emptyset,\Omega\} σ({A})={,Ω,A,Ac} \sigma(\{A\})=\{\emptyset,\Omega,A,A^c\} mit (AΩ) (\emptyset\subset A\subset \Omega)
 
 

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Stephen Hawking

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