Lösbarkeitskriterien linearer Gleichungssysteme

Bei der Beurteilung der Lösbarkeit von linearen Gleichungssystemen spielt der Rang zugeordneter Matrizen eine entscheidende Rolle.
Ist (a11a1nam1amn)=AMat(m×n,K)\pmatrix { a_{11} &\cdots & a_{1n}\\ \vdots && \vdots\\ a_{m1} &\cdots& a_{mn} }=A\in\Mat(m\cross n,K) und b=(b1bm)b=\pmatrix{b_1\\ \vdots\\ b_m}, so bezeichnet man mit (Ab)Mat(m×n+1,K)(A|b)\in\Mat(m\cross n+1,K) die Matrix (a11a1nb1am1amnbm)\pmatrix { a_{11} &\cdots & a_{1n}&b_1\\ \vdots && \vdots&\vdots \\ a_{m1} &\cdots& a_{mn}&b_m }.
 
 

Satz 16C5 (Lösbarkeit linearer Gleichungssysteme)

Sei Ax=bAx=b ein lineares Gleichungssystem mit AMat(m×n,K)A\in\Mat(m\cross n,K). Ferner sei f:KnKmf:K^n\to K^m, xAxx\mapto Ax die zu AA gehörige Standardabbildung.
Dann gilt:

Lösbarkeit

Folgende Aussagen sind äquivalent:
  1. Das lineare Gleichungssystem Ax=bAx=b ist lösbar
  2. rangA=rang(Ab)\rang A=\rang (A|b)
  3. bimfb\in\Image f

Universelle Lösbarkeit

Universelle Lösbarkeit bedeutet, dass das Gleichungssystem für jedes bKmb\in K^m lösbar ist.
Folgende Aussagen sind äquivalent:
  1. Das lineare Gleichungssystem Ax=bAx=b ist universell lösbar
  2. rangA=m\rang A=m
  3. ff ist surjektiv

Eindeutige Lösbarkeit

Eindeutige Lösbarkeit bedeutet, dass das Gleichungssystem Ax=bAx=b genau eine Lösung besitzt.
Das lineare Gleichungssystem Ax=bAx=b ist genau dann eindeutig lösbar, wenn rangA=rang(Ab)=n\rang A=\rang(A|b)=n gilt.
Unter Vorraussetzung der Lösbarkeit von Ax=bAx=b sind folgende Aussagen äquivalent:
  1. Das lineare Gleichungssystem Ax=bAx=b ist eindeutig lösbar
  2. rangA=n\rang A=n
  3. ff ist injektiv
  4. kerf=0\Ker f=0

Beweis

Lösbarkeit

(i)     \iff (iii) ist lediglich eine Umformulierung.
(ii)     \iff (iii) ergibt sich aus dimimf=rangA\dim\Image f=\rang A und weil imf\Image f von den Spalten von AA erzeugt wird (vgl. Bemerkung 16B7 und Satz 16B8)

Universelle Lösbarkeit

(ii)     \iff (iii) ff surjektiv     imf=Km\iff\Image f=K^m     dimimf=rangA=m\iff \dim\Image f=\rang A=m (Satz 15XH und Satz 16B8)
(i)     \iff (ii) ff ist surjektiv genau dann, wenn es zu jedem bKmb\in K^m ein Urbild xKnx\in K^n mit f(x)=bf(x)=b gibt. Da ff die Standardabbildung für AA ist, bedeutet dies aber gerade, dass das Gleichungssystem Ax=bAx=b universell lösbar ist.

Eindeutige Lösbarkeit

(iii)     \iff (iv): siehe Satz 15XH
(i)     \implies (iv): Sei Ax=bAx=b eindeutig lösbar und zkerfz\in\Ker f, also gilt: A(x+z)=Ax+Az=b+0=bA(x+z)=Ax+Az=b+0=b. Damit ist z=0z=0, wegen der eindeutigen Lösbarkeit von Ax=bAx=b und kerf=0\Ker f=0.
(iii)     \implies (i): Aus der Injektivität von ff folgt mit der Existenz einer Lösung sofort ihre Eindeutigkeit.
(iv)     \iff (ii): Nach der Dimensionsformel und Satz 16B8 gilt: n=dimkerf+rangA=rangAn=\dim\Ker f+\rang A=\rang A, wegen kerf=0\Ker f=0.
Bleibt der erste Teil zu zeigen. Wir haben soeben erledigt, dass aus der eindeutigen Lösbarkeit rangA=n\rang A=n folgt. Bleibt zu zeigen, dass aus rangA=rang(Ab)=n\rang A=\rang(A|b)=n die eindeutige Lösbarkeit folgt. Aus rangA=rang(Ab)\rang A=\rang(A|b) folgt die Existenz einer Lösung. Aus rangA=n\rang A=n folgt dann mit dem gerade Gezeigten, dass die Lösung eindeutig ist. \qed

Tabelle zur Lösbarkeit

Lineares Gleichungssystem Ax=bAx=b mit AMat(m×n,K)A\in\Mat(m\cross n,K) und wir identifizieren AA mit ihrer Standardabbildung.
lösbar universell lösbar eindeutig lösbar (falls Lösung existiert)
rangA=rang(Ab)\rang A=\rang (A|b) rangA=m\rang A=m rangA=n\rang A=n
AA surjektiv AA injektiv
bimAb\in\Image A imA=Km\Image A=K^m kerA=0\Ker A=0

Folgerung 16C6

Im Falle eine quadratischen Matrix AMat(n×n,K)A\in\Mat(n\cross n,K) sind die folgenden Aussagen äquivalent:
  1. Ax=bAx=b ist eindeutig lösbar
  2. rangA=n\rang A=n
  3. Ax=bAx=b ist für alle bKnb\in K^n eindeutig lösbar
  4. Ax=0Ax=0 besitzt nur die triviale Lösung x=0x=0
  5. AA ist invertierbar
Im Fall Ax=bAx=b ist dann x=A1bx=A^\me b die Lösung.

Beweis

(i)     \iff (ii): nach Satz 16C5 (eindeutige Lösbarkeit).
(ii)     \iff (iii): nach Satz 16C5 (eindeutige und universelle Lösbarkeit).
(iii)     \iff (iv): Man setze b=0b=0.
(ii)     \iff (v): nach Satz 16B9.
Ax=bAx=b     A1Ax=x=A1b\implies A^\me Ax=x=A^\me b. \qed

So seltsam es auch klingen mag, die Stärke der Mathematik beruht auf dem Vermeiden jeder unnötigen Annahme und auf ihrer großartigen Einsparung an Denkarbeit.

Ernst Mach

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