Die Normal- oder Gaußverteilung (nach Carl Friedrich Gauß) ist ein wichtiger Typ kontinuierlicher Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Ihre Wahrscheinlichkeitsdichte wird auch Gauß-Funktion, Gauß-Kurve, Gauß-Glocke oder Glockenkurve genannt.
Die besondere Bedeutung der Normalverteilung beruht unter anderem auf dem zentralen Grenzwertsatz, der besagt, dass eine Summe von n unabhängigen, identisch verteilten Zufallsvariablen im Grenzwertn→∞ normalverteilt ist. Das bedeutet, dass man Zufallsvariablen dann als normalverteilt ansehen kann, wenn sie durch Überlagerung einer großen Zahl von Einflüssen entstehen, wobei jede einzelne Einflussgröße einen im Verhältnis zur Gesamtsumme unbedeutenden Beitrag liefert.
Viele natur-, wirtschafts- und ingenieurswissenschaftliche Vorgänge lassen sich durch die Normalverteilung entweder exakt oder wenigstens in sehr guter Näherung beschreiben (vor allem Prozesse, die in mehreren Faktoren unabhängig voneinander in verschiedene Richtungen wirken).
Zufallsgrößen mit Normalverteilung benutzt man zur Beschreibung zufälliger Versuche bei der Bestimmung von Geschwindigkeiten, Messfehlern, Beobachtungsfehlern wie:
zufällige Beobachtungs- und Messfehler.
zufällige Abweichungen vom Nennmaß bei der Fertigung von Werkstücken.
Beschreibung der Brownschen Molekularbewegung.
In der Versicherungsmathematik ist die Normalverteilung geeignet zur Modellierung von Schadensdaten im Bereich mittlerer Schadenshöhen.
Definition
Eine stetige ZufallsvariableX mit der Wahrscheinlichkeitsdichte f:R→R,x↦f(x)
f(x)=σ2π1exp(−21(σx−μ)2)
heißt μ-σ-normalverteilt, auch geschrieben als X∼N(μ,σ2) oder (μ,σ2)-normalverteilt, wobei μ der Erwartungswert und σ die Standardabweichung sind.
Die Verteilungsfunktion der Normalverteilung ist gegeben durch
F(x)=σ2π1−∞∫xexp(−21(σt−μ)2)dt.
φ0;1(x)=2π1⋅e−21x2
So sieht die Dichtefunktion einer Standardnormalverteilung aus. Angegeben sind die Intervalle im Abstand 1, 2 und 3 Standardabweichungen vom Erwartungswert 0, die rund 68%, 95,5% und 99,7% der Fläche unter der Glockenkurve umfassen. Die gleichen Prozentsätze gelten für alle Normalverteilungen in Bezug auf die entsprechenden Erwartungswerte und Standardabweichungen.
Die Normalverteilung ist eine Grenzverteilung, die nicht direkt beobachtet werden kann. Die Annäherung verläuft aber mit wachsendem n sehr schnell, so dass schon die Verteilung einer Summe von 30 oder 40 unabhängigen, identisch verteilten Zufallsgrößen einer Normalverteilung recht ähnlich ist.
Die Glockenkurve schmückte, neben dem Portrait von Carl Friedrich Gauß platziert, von 1989 bis 2001 die 10-DM-Banknote der Bundesrepublik Deutschland.
Eigenschaften
Symmetrie
Der Graph der Wahrscheinlichkeitsdichte f:R→R ist eine Gauß'sche Glockenkurve, welche symmetrisch zum Wert von μ ist und deren Höhe und Breite von σ abhängt. Mathematisch ausgedrückt wird diese Symmetrie durch
f(μ−x)=f(μ+x)
und
F(μ−x)=1−F(μ+x).
Maximalwert und Wendepunkte der Dichtefunktion
Mit Hilfe der ersten und zweiten Ableitung lassen sich der Maximalwert und die Wendepunkte bestimmen.
dxdf(x)=−σ2x−μf(x)
Das Maximum der Dichtefunktion der Normalverteilung liegt demnach bei xmax=μ und beträgt dort fmax=2πσ1.
dx2d2f(x)=σ21(σ21(x−μ)2−1)f(x)
Somit liegen die Wendepunkte der Dichtefunktion bei x=μ±σ.
Normierung
Wichtig ist, dass die gesamte Fläche unter der Kurve gleich 1 ist, also der Wahrscheinlichkeit eines sicheren Ereignisses entspricht. Somit folgt, dass wenn zwei Gauß'sche Glockenkurven dasselbe μ, aber unterschiedliche σ-Werte haben, jene Kurve mit dem größeren σ breiter und niedriger ist (da ja beide zugehörigen Flächen jeweils den Wert von 1 haben und nur die Standardabweichung (oder " Streuung") höher ist). Zwei Glockenkurven mit dem gleichen σ, aber unterschiedlichen μ haben gleich aussehende Graphen, die jedoch auf der x-Achse um die Differenz der μ-Werte zueinander verschoben sind.
Da sich das Integral der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion nicht auf eine elementare Stammfunktion zurückführen lässt, wurde für die Berechnung früher meist auf Tabellen zurückgegriffen; heutzutage sind entsprechende Zellenfunktionen in üblichen Tabellenkalkulationsprogrammen stets verfügbar. Tabellen wie Zellenfunktionen gelten aber in der Regel nicht für beliebige μ- und σ-Werte, sondern nur für die Standardnormalverteilung, bei der μ=0 und σ=1 ist (man spricht auch von einer 0-1-Normalverteilung oder normierten Normalverteilung).
Die Tabellen sind also für die Wahrscheinlichkeitsfunktion Φ (auch Gauß'sches Fehlerintegral genannt) mit
Φ(z)=2π1⋅−∞∫ze−21t2dt
ausgelegt. Analog dazu wird die zugehörige normierte Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion f mit φ bezeichnet.
Ist nun eine beliebige μ-σ-Verteilung gegeben, so muss diese nur in eine Standardnormalverteilung transformiert werden.
Die momenterzeugende Funktion der Normalverteilung ist
mX(s)=exp(μs+2σ2s2).
Invarianz gegenüber Faltung
Die Normalverteilung ist invariant gegenüber der Faltung, d. h. die Faltung einer Gaußkurve der Halbwertsbreite Γa mit einer Gaußkurve der Halbwertsbreite Γb ergibt wieder eine Gaußkurve mit der Halbwertsbreite Γc=Γa2+Γb2.
Anders gesprochen, die Summe zweier unabhängiger normalverteilter Zufallsgrößen ist wieder normalverteilt. Speziell ist das arithmetische Mittel unabhängiger und identisch normalverteilter Zufallsgrößen mit den Parametern μ,σ wieder eine normalverteilte Zufallsgröße mit μ und σ/n.
Die Dichtefunktion der Normalverteilung ist ein Fixpunkt der Fourier-Transformation, d.h. die Fourier-Transformierte einer Gaußkurve ist wieder eine Gaußkurve. Das Produkt der Standardabweichungen dieser korrespondierenden Gaußkurven ist konstant; es gilt die Heisenbergsche Unschärferelation.
Entropie
Die Normalverteilung hat unter den Verteilungen mit gleicher Varianz die größte Entropie.
s2=n−11i=1∑n(xi−xˉ)2
Mehrdimensionale Verallgemeinerung
Dichte der zweidimensionalen Normalverteilung; die Standardabweichung der zweiten Koordinate Y ist 2, die Korrelation zwischen den Koordinaten 0.7
Das Wahrscheinlichkeitsmaß Nn(0,1) auf Rn, das durch die Dichtefunktion
definiert wird, heißt Standardnormalverteilung der Dimension n. Ein Zufallsvektor X=(X1,…,Xn) ist genau dann standardnormalverteilt auf Rn , wenn seine Komponenten X1,…,Xn standardnormalverteilt und stochastisch unabhängig sind.
Ein Wahrscheinlichkeitsmaß P auf Rn heißt n-dimensionale Normalverteilung, wenn eine MatrixA∈Rn×n und ein Vektor b∈Rn existieren, so dass mit der affinen Abbildungu:Rn→Rn,x↦Ax+b gilt: u−1(P)=Nn(0,1).
Die multivariate Normalverteilung ist die einzige rotationssymmetrische multivariate Verteilung, deren Komponenten stochastisch unabhängig sind.
Die Dichtefunktion der zweidimensionalen Normalverteilung mit einem Korrelationskoeffizienten ρ ist
mit ∣Σ∣ als der Determinante der Kovarianzmatrix Σ.
Beziehungen zu anderen Verteilungsfunktionen
Transformation zur Standardnormalverteilung (z-Transformation)
Ist eine Normalverteilung mit beliebigen μ und σ gegeben, so kann diese durch eine Transformation auf eine N(0,1)-Normalverteilung zurückgeführt werden. Dazu wird die Verteilungsfunktion F(x) der allgemeinen Normalverteilung mit u=σt−μ substituiert und die Integralgrenzen werden angepasst:
Nebenrechnung für die Substitution
u=σt−μ
dtdu=dtd(σt−μ)=σ1
⇒dt=du⋅σ
F(x)=σ⋅2π1⋅−∞∫xe−21⋅(σt−μ)2dt
=σ⋅2π1⋅σ−∞−μ∫σx−μe−21u2du⋅σ
=2π1⋅−∞∫σx−μe−21u2du
=Φ(σx−μ)
Wird nun z:=σx−μ definiert und u durch t ersetzt, so erhält man die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung:
Φ(z)=2π1⋅−∞∫ze−21t2dt
Geometrisch betrachtet entspricht die durchgeführte Substition einer flächentreuen Transformation der Glockenkurve von N(μ;σ) zur Glockenkurve von N(0;1).
Approximation der Binomialverteilung durch die Normalverteilung
Die Normalverteilung kann zur Approximation der Binomialverteilung verwendet werden, wenn der Stichprobenumfang n hinreichend groß und in der Grundgesamtheit der Anteil p der gesuchten Eigenschaft nicht zu klein ist. Als Faustregel dafür gilt: np(1−p)≥9.
Allgemeines
Um 1900 postulierte Max Planck das Energiequantum hν, um die Energieverteilung der schwarzen Strahlung erklären zu können und es wurde daraufhin in vielen anderen Erscheinungen der Natur wiederentdeckt. Der bis dahin geltende Satz 'natura non facit saltus' - die Natur macht keine Sprünge - wurde wirksam widerlegt und zeigt auch, dass viele Phänomene, die oberflächlich für stetig gehalten werden, bei sehr genauer Betrachtung doch nichtstetig bzw. sprunghaft sind. Die Normalverteilung liefert für diese Vorgänge eine sehr gute Approximation, denn viele endliche Zufallsvariablen sind näherungsweise normalverteilt. Eine in der Natur oft anzutreffende Wahrscheinlichkeitsverteilung ist die Binomialverteilung. Auch sie lässt sich in sehr guter Näherung mit der Normalverteilung beschreiben. Mathematisch wird dies durch den Grenzwertsatz belegt. Er besagt in diesem Fall, dass sich die nichtstetige Wahrscheinlichkeitsverteilung, die sich aus n voneinander unabhängigen Zufallsgrößen ergibt, mit steigenden n immer besser an die Normalverteilung angleicht. n ist dabei die Anzahl der voneinander unabhängigen Zufallsversuche, von denen jeder einzelne eine Zufallsgröße ergibt.
Ein Beispiel für diese Angleichung der Häufigkeitsverteilung an die Normalverteilung ist folgender Würfelversuch: Gegeben seien zwei normale Würfel, wobei jeder eine Augenzahl von eins bis sechs aufweist. Sie sollen nun n mal geworfen werden, d. h. es werden n voneinander unabhängige Zufallsversuche durchgeführt. Bei jedem Versuch berechnet sich das Ergebnis aus der Gesamtanzahl der geworfenen Augen. Insgesamt werden einige hundert Würfe gemacht, wobei die Anzahl der gleichen Ergebnisse gezählt wird. Diese Häufigkeit kann anschließend in ein Diagramm eingetragen werden. Die resultierende Verteilung ist bei sehr wenigen Würfen rein zufällig, bei sehr hohen n wird sie hingegen der Gauß'schen Glockenkurve (mit dem Erwartungswert von 7) immer ähnlicher, trotzdem ist sie immer noch diskret verteilt (d. h. der Graph besteht aus kleinen Stufen).
Approximation
Ist eine Binomialverteilung (siehe auch Bernoulli-Versuch) mit n voneinander unabhängigen Stufen (bzw. Zufallsversuchen) mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit p gegeben, so lässt sich die Wahrscheinlichkeit für k Erfolge allgemein durch P(X=k)=(kn)⋅pk⋅qn−k für k=0,1,…,n berechnen (wobei q=1−p ist).
Für sehr große Werte von n kann diese Binomialverteilung durch eine Normalverteilung approximiert werden (zentraler Grenzwertsatz). Dabei ist
Bei der Normalverteilung wird die untere Grenze um 0,5 verkleinert und die obere Grenze um 0,5 vergrößert, um eine bessere Approximation bei einer geringen Standardabweichungσ gewährleisten zu können. Dies nennt man auch Stetigkeitskorrektur. Nur wenn σ einen sehr hohen Wert besitzt, kann auf sie verzichtet werden.
< oder ≤ (und auch größer und größer gleich) müssen beachtet werden (was ja bei der Normalverteilung nicht der Fall ist). Deshalb muss bei P(XBV<x) die nächstkleinere natürliche Zahl gewählt werden, d. h.
P(XBV<x)=P(XBV≤x−1) bzw. P(XBV>x)=P(XBV≥x+1)
damit mit der Normalverteilung weitergerechnet werden kann.
z. B. P(XBV<70)=P(XBV≤69)
Außerdem ist
P(XBV≤x)=P(0≤XBV≤x)
P(XBV≥x)=P(x≤XBV≤n)
P(XBV=x)=P(x≤XBV≤x) (unbedingt mit Stetigkeitskorrektur)
und lässt sich somit durch die oben angegebene Formel berechnen.
Der große Vorteil der Approximation liegt darin, dass sehr viele Stufen einer Binomialverteilung sehr schnell und einfach bestimmt werden können.
Die Summe Xn=Z12+…+Zn2 von n unabhängigen quadrierten standardnormalverteilten ZufallsvariablenZi∼N(0,1)(i=1,…,n) genügt einer Chi-Quadrat-VerteilungXn∼χn2 mit n Freiheitsgraden.
Die Summe Xn−1=σ21i=1∑n(Zi−Z)2 mit Z:=n1i=1∑nZi von n unabhängigen quadrierten standardnormalverteilten ZufallsvariablenZi∼N(0,1)(i=1,…,n) genügt einer Chi-Quadrat-VerteilungXn−1∼χn−12 mit n−1 Freiheitsgraden.
Ist die ZufallsvariableX normalverteilt mit N(μ,σ2), dann ist die ZufallsvariableY=eX logarithmisch-normalverteilt mit LN(μ,σ2).
Die Entstehung einer logarithmischen Normalverteilung ist auf multiplikatives, die einer Normalverteilung auf additives Zusammenwirken vieler Zufallsgrößen zurückführen.
Beziehung zur F-Verteilung
Wenn die identischen normalverteilten ZufallsvariablenX1(1),X2(1),…,Xn(1) und X1(2),X2(2),…,Xn(2) die Parameter
Wenn die unabhängigen ZufallsvariablenX1,X2,…,Xn identisch normalverteilt sind mit den Parametern μ und σ, dann unterliegt die stetige Zufallsgröße
Yn−1=n−1i=1∑n(Xi−Xˉ)2Xˉ−μn
einer Students t-Verteilung mit (n−1) Freiheitsgraden.
Die Students t-Verteilung wird zur Konfidenzschätzung für den Erwartungswert einer normalverteilten Zufallsvariable bei unbekannter Varianz verwendet.
Rechnen mit der Standardnormalverteilung
Bei Aufgabestellungen, bei denen die Wahrscheinlichkeit für normalverteilte Zufallsvariablen durch die Standardnormalverteilung ermittelt werden soll, ist es nicht nötig, die oben angegebene Transformation jedesmal durchzurechnen. Stattdessen wird einfach das Ergebnis der Transformation verwendet, um die Grenzen x1,x2 und die ZufallsvariableX auf die Grenzen z1,z2 und die ZufallsvariableZ anzugleichen. Somit kann eine N(μ;σ2)Verteilung durch
(P steht für die englische Bezeichnung "probability" oder das französische Wort "probabilité" der Wahrscheinlichkeit.)
Grundlegende Fragestellungen
Allgemein gibt die Verteilungsfunktion die Fläche unter der Glockenkurve bis zum Wert x an, d. h. es wird das bestimmte Integral von −∞ bis x berechnet.
Dies entspricht in Aufgabenstellungen einer gesuchten Wahrscheinlichkeit, bei der die ZufallsvariableXkleiner oder kleiner gleich einer bestimmten Zahl x ist. Durch die Verwendung der reellen Zahlen und der Stetigkeit der Normalverteilung macht es keinen Unterschied, ob nun < oder ≤ verlangt ist,
weil P(X=3)=3∫3f(x)dx=0 und somit P(X<3)=P(X≤3).
Dasselbe gilt für größer und größer gleich.
Dadurch, dass X nur kleiner oder größer einer Grenze (oder innerhalb oder außerhalb zweier Grenzen) liegen kann, ergeben sich für Aufgaben bei normalverteilten Wahrscheinlichkeitsberechnungen folgende zwei grundlegende Fragestellungen:
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Zufallsversuch die normalverteilte ZufallsvariableZ höchstens den Wert z annimmt?
P(Z≤z)=Φ(z)
In der Schulmathematik wird für diese Aussage auch die Bezeichnung Linker Spitz verwendet, da die Fläche unter der Gaußkurve von links bis zur Grenze verläuft. Für z sind auch negative Werte erlaubt, trotzdem haben viele Tabellen der Standardnormalverteilung nur positive Einträge. Durch die Symmetrie der Kurve und der Negativitätsregel des linken Spitz stellt dies aber keine Einschränkung dar:
(Anm.: Das Minus von z wird im folgenden explizit
ausgedrückt, d.h. −z=−∣z∣, wenn z<0)
Φ(−z)=1−Φ(z)
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Zufallsversuch die normalverteilte ZufallsvariableZ mindestens den Wert z annimmt?
P(Z≥z)=1−Φ(z)
Analog wird hier oft die Bezeichnung Rechter Spitz verwendet. Ebenso gibt es eine Negativitätsregel:
P(Z≥−z)=1−Φ(−z)=1−(1−Φ(z))=Φ(z)
(Da jede ZufallsvariableX der allgemeinen Normalverteilung sich in die Zufallsgröße Z der Standardnormalverteilung umwandeln lässt, gelten die Fragestellungen für beide Größen gleichbedeutend.)
Beim Sonderfall des symmetrischen Streubereiches ( z1=−z2, mit z2>0 ) gilt:
P(−z≤Z≤z)=P(∣Z∣≤z)=
=Φ(z)−Φ(−z)=Φ(z)−(1−Φ(z))=
=2⋅Φ(z)−1
Hingegen gibt der Antistreubereich die Höhe der Wahrscheinlichkeit an, dass die normalverteilte ZufallsvariableZ Werte außerhalb des Bereichs zwischen z1 und z2 annimmt:
P(Z≤z1 oder Z≥z2)=Φ(z1)+(1−Φ(z2))
Somit folgt bei einem symmetrischen Antistreubereich:
P(Z≤−z oder Z≥z)=P(∣Z∣≥z)=
=Φ(−z)+1−Φ(z)=1−Φ(z)+1−Φ(z)=
=2−2⋅Φ(z)
Streubereiche am Beispiel der Qualitätssicherung
Besondere Bedeutung haben beide Streubereiche z.B. bei der Qualitätssicherung von technischen oder wirtschaftlichen Produktionsprozessen. Hier gibt es einzuhaltende Toleranzgrenzen x1 und x2 , wobei es meist einen größten noch akzeptablen Abstand ϵ vom Erwartungswertμ (= dem optimalen Sollwert) gibt. σ kann hingegen empirisch aus dem Produktionsprozess gewonnen werden.
Wurde [x1;x2]=[μ−ϵ;μ+ϵ] als einzuhaltendes Toleranzintervall angegeben, so liegt (je nach Fragestellung) ein symmetrischer Streu- oder Antistreubereich vor.
Im Falle des Streubereiches gilt:
P(x1≤X≤x2)=P(∣X−μ∣≤ϵ)=
=P(μ−ϵ≤X≤μ+ϵ)=P(σ−ϵ≤Z≤σϵ)=
=Φ(σϵ)−Φ(σ−ϵ)=
=2⋅Φ(σϵ)−1=γ
Der Antistreubereich ergibt sich dann aus
P(∣X−μ∣≥ϵ)=1−γ
oder wenn kein Streubereich berechnet wurde durch
P(∣X−μ∣≥ϵ)=2⋅(1−Φ(σϵ))=α .
Das Ergebnis γ ist also die Wahrscheinlichkeit für verkaufbare Produkte, während α die Wahrscheinlichkeit für Ausschuss bedeutet, wobei beides von den Vorgaben von μ,σ und ϵ abhängig ist.
Ist bekannt, dass die maximale Abweichung ϵsymmetrisch um den Erwartungswert liegt, so sind auch Fragestellungen möglich, bei denen die Wahrscheinlichkeit vorgegeben und eine der anderen Größen zu berechnen ist.
Um zu testen, ob vorliegende Daten normalverteilt sind, können unter Anderem der Kolmogorov-Smirnov-Test und der Shapiro-Wilk-Test herangezogen werden. Mit Hilfe von Normal-Quantil-Plots (auch Quantil-Quantil-Plot oder Q-Q-Plot) ist eine einfache grafische Überprüfung auf Normalverteilung möglich.
Simulation normalverteilter Zufallsvariablen
Box-Muller-Methode
Nach der Box-Muller-Methode lässt sich eine standardnormalverteilte ZufallsvariableX aus zwei gleichverteilten Zufallsvariablenu1,u2∼U(0,1), sogenannten Standardzufallszahlen, simulieren:
X=(−2logu1)cos(2πu2)
Polar-Methode
Die Polar-Methode von Marsaglia ist auf einem Computer noch schneller, da sie nur einen Logarithmus benutzt:
Durch lineare Transformation lassen sich hieraus auch beliebige normalverteilte Zufallszahlen generieren: Ist die ZufallsvariableX∼N(0,1)-verteilt, so ist aX+b schließlich N(b,a2)-verteilt.
Zwölferregel
Der zentrale Grenzwertsatz besagt, dass sich die Verteilung der Summe unabhängiger identisch verteilter Zufallszahlen einer Normalverteilung nähert.
Ein Spezialfall ist die Zwölferregel, die sich auf die Summe von 12 Zufallszahlen aus einer Gleichverteilung auf dem Intervall [0,1] beschränkt und bereits zu passablen Verteilungen führt.
Stark ins Gewicht fällt die Forderung der Unabhängigkeit der zwölf Xi, die von normalen Pseudozufallszahlen (LKG) nicht garantiert wird. Im Gegenteil wird vom Spektraltest meist nur die Unabhängigkeit von maximal vier bis sieben der Xi garantiert. Für numerische Simulationen ist die Zwölferregel daher sehr bedenklich! Andere sogar leichter zu programmierende Verfahren sind unbedingt vorzuziehen!
Verwerfungsmethode
Normalverteilungen lassen sich mit der Verwerfungsmethode (s. dort) simulieren.
Inversionsmethode
Selbstverständlich lässt sich die Normalverteilung auch mit der Inversionsmethode berechnen. Da das Fehlerintegral leider nicht explizit mit elementaren Funktionen integrierbar ist, muss man auf Reihenentwicklungen der inversen Funktion für einen Startwert (a1…a14 weiter unten) und anschließende Korrektur mit dem Newtonverfahren zurückgreifen. Dazu werden erf(x) und erfc(x) benötigt, die ihrerseits mit Reihenentwicklungen und Kettenbruchentwicklungen berechnet werden können - insgesamt ein relativ hoher Aufwand. Die notwendigen Entwicklungen sind in der Literatur zu finden William B. Jones, W. J. Thron; Continued Fractions: Analytic Theory and Applications; Addison Wesley, 1980.
Entwicklung des inversen Fehlerintegrals (wegen des Pols nur als Startwert für das Newtonverfahren verwendbar):