In der
Mathematik ist eine
boolesche Algebra (oder ein
boolescher Verband) eine spezielle algebraische Struktur, die die Eigenschaften der logischen Operatoren UND, ODER, NICHT sowie die Eigenschaften der mengentheoretischen
Verknüpfungen Durchschnitt,
Vereinigung, Komplement verallgemeinert. Gleichwertig zu
booleschen Algebren sind
boolesche Ringe, die von UND und ENTWEDER-ODER (exklusiv-ODER) beziehungsweise
Durchschnitt und
symmetrischer Differenz ausgehen.
Diese Definition geht nur von den
Verknüpfungen ∧ und
∨ aus und umfasst die Existenz von 0, 1 und
¬ und die unabhängigen Axiome (1)(1')(2)(2')(11)(11')(4)(9)(9') des gleichwertigen redundanten Axiomensystems von Peano mit zusätzlichen ableitbaren Axiomen; dieses charakterisiert eine
boolesche Algebra als
Menge mit Nullelement 0 und Einselement 1, auf der die
zweistelligen Verknüpfungen ∧ und
∨ und eine
einstellige Verknüpfung ¬ definiert sind, durch folgende Axiome (originale Nummerierung von Peano):
Kommutativgesetze |
(1) |
a∧b=b∧a |
(1') |
a∨b=b∨a |
Assoziativgesetze |
(2) |
(a∧b)∧c=a∧(b∧c) |
(2') |
(a∨b)∨c=a∨(b∨c) |
Idempotenzgesetze |
(3) |
a∧a=a |
(3') |
a∨a=a |
Distributivgesetze |
(4) |
a∧(b∨c)=(a∧b)∨(a∧c) |
(4') |
a∨(b∧c)=(a∨b)∧(a∨c) |
Neutralitätsgesetze |
(5) |
a∧1=a |
(5') |
a∨0=a |
Extremalgesetze |
(6) |
a∧0=0 |
(6') |
a∨1=1 |
Doppelnegationsgesetz (Involution) |
(7) |
¬(¬a)=a |
|
De Morgansche Gesetze |
(8) |
¬(a∧b)=¬a∨¬b |
(8') |
¬(a∨b)=¬a∧¬b |
Komplementärgesetze |
(9) |
a∧¬a=0 |
(9') |
a∨¬a=1 |
Dualitätsgesetze |
(10) |
¬0=1 |
(10') |
¬1=0 |
Absorptionsgesetze |
(11) |
a∨(a∧b)=a |
(11') |
a∧(a∨b)=a |
Jede Formel in einer
booleschen Algebra hat eine
duale Formel, die durch Ersetzung von 0 durch 1 und
∧ durch
∨ und umgekehrt entsteht. Ist die eine Formel gültig, dann ist es auch ihre duale Formel, wie im Peano-Axiomensystem jeweils (n) und (n').
Die wichtigste boolesche Algebra hat nur die zwei Elemente 0 und 1. Die Verknüpfungen sind wie folgt definiert:
Konjunktion
∧ |
0 |
1 |
0 |
0 |
0 |
1 |
0 |
1 |
| |
Disjunktion
∨ |
0 |
1 |
0 |
0 |
1 |
1 |
1 |
1 |
| |
Negation
|
¬ |
0 |
1 |
1 |
0 |
|
Diese
Algebra hat Anwendungen in der
Aussagenlogik, wo 0 als "falsch" und 1 als "wahr" interpretiert werden. Die
Verknüpfungen ∧,∨,¬ entsprechen den logischen
Verknüpfungen UND, ODER, NICHT. Ausdrücke in dieser
Algebra heißen
boolesche Ausdrücke.
Auch für digitale Schaltungen wird diese
Algebra verwendet und als Schaltalgebra bezeichnet. Hier entsprechen 0 und 1 zwei Spannungszuständen in der Schalterfunktion von AUS und AN. Das Eingangs-Ausgangs-Verhalten jeder möglichen digitalen Schaltung kann durch einen booleschen Ausdruck modelliert werden.
Die zweielementige
boolesche Algebra ist auch wichtig für die Theorie allgemeiner
boolescher Algebren, da jede Gleichung, in der nur Variablen, 0 und 1 durch
∧,∨ und
¬ verknüpft sind, genau dann in einer beliebigen
booleschen Algebra für jede Variablenbelegung erfüllt ist, wenn sie in der zweielementigen
Algebra für jede Variablenbelegung erfüllt ist (was man einfach durchtesten kann). Zum Beispiel gelten die folgenden beiden Aussagen (Konsensusregeln, engl.:
Consensus Theorems) über jede
boolesche Algebra:
- (a∨b)∧(¬a∨c)∧(b∨c)=(a∨b)∧(¬a∨c)
- (a∧b)∨(¬a∧c)∨(b∧c)=(a∧b)∨(¬a∧c)
Mengenalgebra
Andere Beispiele
- A={e∈R∣e2=e und ex=xe∀x∈R}
- e∨f=e+f−ef,e∧f=ef
wird
A zu einer
booleschen Algebra.
Ist
H ein
Hilbertraum und
P(H) die
Menge der Orthogonalprojektionen auf
H. Definiert man für zwei Orthogonalprojektionen
P und
QP∨Q=P+Q−nPQ,P∧Q=PQ, wobei
n gleich 1 oder 2 sein soll. In beiden Fällen wird
P(H) zu einer
booleschen Algebra. Der Fall
n=2 ist in der Spektraltheorie von Bedeutung.
Homomorphismen
Ein
Homomorphismus zwischen
booleschen Algebren A,B ist ein Verbandshomomorphismus
f:A→B, der 0 auf 0 und 1 auf 1 abbildet, d.h. für alle
x,y∈A gilt:
- f(x∧y)=f(x)∧f(y)
- f(x∨y)=f(x)∨f(y)
- f(0)=0,f(1)=1
Es folgt daraus, dass
f(¬a)=¬f(a) für alle
a aus
A. Die
Klasse aller
booleschen Algebren wird mit diesem Homomorphismenbegriff eine Kategorie. Ist ein
Homomorphismus f zusätzlich
bijektiv, dann heißt
f Isomorphismus, und
A und
B heißen
isomorph.
Boolesche Ringe
Als
boolesche Ringe gelten seit Stone alle
Ringe mit Einselement, die zusätzlich
idempotent sind, also das Idempotenzgesetz
a⋅a=a erfüllen. Jeder idempotente
Ring ist kommutativ. Die
Addition im booleschen
Ring entspricht bei der mengentheoretischen Interpretation der
symmetrischen Differenz und bei aussagenlogischer Interpretation der Alternative ENTWEDER-ODER (exclusiv-ODER, XOR); die
Multiplikation entspricht der Durchschnittsbildung beziehungsweise der
Konjunktion UND.
Boolesche
Ringe sind stets selbstinvers, denn es gilt
a+a=0 und
−a=a, so dass die Inversen-Operation definierbar ist. Wegen dieser Eigenschaft besitzen sie auch, falls 1 und 0 verschieden sind, stets die
Charakteristik 2. Der kleinste solche boolesche
Ring ist zugleich ein
Körper mit folgenden Verknüpfungstafeln:
⋅ |
0 |
1 |
0 |
0 |
0 |
1 |
0 |
1 |
| |
+ |
0 |
1 |
0 |
0 |
1 |
1 |
1 |
0 |
| |
|
Der Potenzreihen-Ring modulo
x⋅x+x über diesem
Körper ist ebenfalls ein boolescher
Ring, denn
x⋅x+x wird mit
0 identifiziert und liefert die
Idempotenz. Diese
Algebra benützte bereits Žegalkin 1927 als Variante der originalen
Algebra von Boole, der den
Körper der
reellen Zahlen zugrunde legte, welcher noch keinen booleschen
Ring ergibt.
Die Kategorien boolescher
Ringe und
boolescher Algebren sind
isomorph. Denn jeder boolesche
Ring (R,+,−,⋅,1,0) wird zu einer
booleschen Algebra (R,∧,∨,¬,1,0) durch folgende Definitionen:
- x∨y=x+y+xy
- x∧y=xy
- ¬x=x+1
Umgekehrt wird jede
boolesche Algebra (A,∧,∨,¬,1,0) zu einem booleschen
Ring (A,+,−,⋅,1,0) durch folgende Definitionen:
- a+b=(a∧¬b)∨(b∧¬a)
- −a=a
- a⋅b=a∧b
Literatur
- Marshall Harvey Stone: The Theory of Representations for Boolean Algebras. In: Transactions of the American Mathematical Society. Lancaster 40.1936, S. 37-111. Unknown meta: ISSN|0002-9947
- D. A. Vladimirov: Boolesche Algebren. In deutscher Sprache herausgegeben von G. Eisenreich. Berlin 1972.
Wer die erhabene Weisheit der Mathematik tadelt, nährt sich von Verwirrung.
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